StGB § 69

Leitsatz

Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis und auch für die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 StGB ist, dass der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat". Richtet sich die Tat (nur) gegen eine Kraftfahrzeugführerin, kann dies für sich genommen die Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB nicht rechtfertigen. (Leitsatz der Redaktion)

BGH, Beschl. v. 1.2.2023 – 4 StR 443/22

1 Sachverhalt

Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der es drei Monate aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt hat. Zudem hat es gegen den Angeklagten eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Der BGH hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil des LG im Ausspruch über die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aufgehoben; der Ausspruch entfällt.

2 Aus den Gründen:

[2] 1. Die Anordnung der isolierten Sperrfrist nach § 69 Abs. 1, § 69a Abs. 1 S. 1 und 3 StGB kann nicht bestehen bleiben.

[3] a) Nach den Feststellungen entfernte der Angeklagte zwei und lockerte die beiden weiteren Radbolzen an einem Vorderrad des Kraftfahrzeugs der Nebenklägerin in der Absicht, dass sie deshalb auf ihrer nächsten Fahrt infolge des Verlustes dieses Rades im fließenden Verkehr verunfallt. Die Nebenklägerin bemerkte jedoch alsbald nach Fahrtantritt Geräusche und ein "Flattern" des Lenkrads, weshalb sie ihr Fahrzeug nach einer kurzen Wegstrecke zum Stillstand brachte.

[4] b) Das LG hat die Anordnung der Maßregel damit begründet, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs gemäß § 69 Abs. 1 StGB begangen habe, weil das Führen des manipulierten Kraftfahrzeugs durch die Nebenklägerin von ihm für die Verwirklichung seines Tatplans "instrumentalisiert" worden sei. Diese Erwägung trägt den Maßregelausspruch nicht.

[5] Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis und auch für die Anordnung einer (isolierten) Sperrfrist nach § 69a Abs. 1 StGB ist, dass der Täter die Tat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat" (§ 69 Abs. 1 S. 1 StGB). Die Tat muss damit in Beziehung stehen zu der Führung eines Kraftfahrzeugs durch den Täter (vgl. BT-Drucks I/2674, S. 12 zur Vorgängerregelung in § 42m StGB aF) oder zumindest einen anderen Tatbeteiligten (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 381/00 Rn 5; BGH, Urt. v. 29.5.1957 – 2 StR 195/57, BGHSt 10, 333, 336; OLG München NJW 1992, 2777). Daran fehlt es hier. Weder der Angeklagte selbst noch ein Tatbeteiligter führten bei, vor oder nach Begehung der Tat ein Kraftfahrzeug. Diese wurde auch nicht unter Verletzung einer spezifisch einem Kraftfahrer im Straßenverkehr obliegenden Pflicht begangen. Die Tat richtete sich zwar gegen eine Kraftfahrzeugführerin; dies kann aber für sich genommen die Anordnung von Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2000 – 4 StR 381/00 Rn 5; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 57; OLG Celle NZV 1998, 170; Pegel in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn 64; Ernemann in SSW-StGB, 5. Aufl., § 315b Rn 23; Valerius in LK-StGB, 13. Aufl., § 69 Rn 65).

[6] 2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[7] 3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

zfs 8/2023, S. 467 - 468

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