Nach Auffassung des BGH ist ferner das Verhalten der Beklagten gegenüber den Käufern der Fahrzeuge ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Pressemitteilung der Beklagten v. 22.9.2015 nicht mehr als sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB anzusehen. In der Pressemitteilung hatte die VW AG die Öffentlichkeit über Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software bei Dieselmotoren vom Typ EA 189 informiert und mitgeteilt, dass sie daran arbeite, die Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb mit technischen Maßnahmen zu beseitigen, und dass sie hierzu mit dem Kraftfahrt-Bundesamt in Kontakt stehe. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB sei in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Aufgrund der Pressemitteilung und ihrer als sicher vorherzusehenden medialen Verbreitung sei typischerweise nicht mehr damit zu rechnen, dass Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren die Erfüllung der hier maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben noch als selbstverständlich voraussetzen würden. Für die Ausnutzung einer diesbezüglichen Arglosigkeit durch die Beklagte sei damit kein Raum mehr. Käufern, die sich erst für einen Kauf entschieden haben, nachdem die Beklagte ihr Verhalten geändert hatte, sei deshalb – unabhängig von ihren Kenntnissen vom "Dieselskandal" im Allgemeinen und ihren Vorstellungen von der Betroffenheit des Fahrzeugs im Besonderen – nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt worden.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 101/2020 v. 30.7.2020

Autor: Karsten Funke

Karsten Funke, Richter am Landgericht, München

zfs 8/2020, S. 422

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