FeV § 20 Abs. 4; StVG § 4 Abs. 10; VwGO § 80 Abs. 7 S. 1 u. 2

Leitsatz

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil die Fahrerlaubnisbehörde es ablehnt, einen vor Eintritt der Rechtskraft der Fahrerlaubnisentziehung gestellten Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu bearbeiten.

VG Lüneburg, Beschl. v. 12.6.2020 – 1 B 33/20

Sachverhalt

Der ASt. begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Der AG entzog dem ASt. durch Bescheid v. 8.11.2019 die Fahrerlaubnis für alle Klassen. Zur Begründung führte er zusammengefasst aus: Der ASt. sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, weil im Fahreignungsregister Zuwiderhandlungen eingetragen seien, die mit acht Punkte zu bewerten seien. Er sei vor der Entziehung der Fahrerlaubnis auch ermahnt und nachfolgend verwarnt worden.

Gegen diesen Bescheid hat der ASt. am 11.11.2019 Klage erhoben (1 A 98/19) und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Die Kammer hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis durch Beschl. v. 23.12.2019 – 1 B 39/19 – abgelehnt und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass der angefochtene Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig ergangen sei. Das NdsOVG hat die dagegen erhobene Beschwerde des ASt. durch Beschl. v. 3.3.2020 – 12 ME 6/20 (zfs 2020, 235) – zurückgewiesen.

Am 10.6.2020 hat der ASt. erneut um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis nachgesucht. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Er habe parallel zum Klageverfahren gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis beim AG einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt. Indem der AG aber die Bearbeitung seines Antrags auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu Unrecht verweigere, versuche dieser ihn zur Rücknahme der Klage (gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis) zu zwingen. Erst danach sei der AG bereit, den Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu bearbeiten und zu bescheiden. Da eine Entscheidung über diese Klage noch nicht vorliege, wäre er faktisch zur Klagerücknahme gezwungen, um zeitnah eine neue Fahrerlaubnis zu erhalten. Eine gesetzliche Grundlage für ein solches Vorgehen sei jedoch nicht gegeben. Nach Ablauf der Sperrfrist von sechs Monaten sei die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Der ASt. beantragt, die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des AG v. 8.11.2019 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung herzustellen.

2 Aus den Gründen:

"… II."

Der (erneute) Antrag des ASt. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis ist gem. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO sachgerecht als Antrag nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO auszulegen, den vorläufigen Rechtsschutz versagenden Beschluss der Kammer v. 23.12.2019 – 1 B 39/19 – zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen.

Der so verstandene Antrag des ASt. bleibt ohne Erfolg. (…)

Gem. § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter Umstände beantragen. Daneben kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO jederzeit von Amts wegen einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Insoweit ist der Antrag des ASt. gleichzeitig als Anregung an das Gericht zu verstehen, den Beschluss der Kammer vom 23.12.2019 von Amts wegen zu ändern.

Dabei dient das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Es eröffnet vielmehr die Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2011 – 8 VR 2/11, juris Rn 8).

Das ist hier nicht der Fall.

Unverändert überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis des ASt. dessen Interesse, hiervon verschont zu bleiben. Die gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gerichtete Klage wird ohne Erfolg bleiben, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig erging. Der AG entzog dem ASt. zu Recht die Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (st. Rspr. BVerwG, Urt. vom 26.1.2017 – 2 C 21/15, juris Rn 11 m.w.N.). Zur Begründung im Einzelnen verweist der Einzelrichter auf die Beschlüsse der Kammer v. 23.12.2019 – 1 B 39/19 – und des NdsOVG v. 3.3.2020 – 12 ME 6/20 (zfs 2020, 235).

Das vom ASt. für seinen jetzigen Antrag vorgetragene Vorbringen rechtfertigt eine Änderung des vorläufigen Rechtsschutz v...

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