In der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main[4] ging es um einen Motorradunfall. Die Haftpflichtversicherung des Verursachers war zu 100 % eintrittspflichtig. Der Kläger erlitt einen Handgelenksbruch, eine Halswirbelsäulenverstauchung und eine Bauchwandprellung. Ferner kam es aufgrund des Unfalls zu Sensibilitätsstörungen im Bereich der Finger. Der Senat urteilte ein Schmerzensgeld i.H.v. 11.000 EUR aus. Das Besondere hieran ist, dass bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldbetrages erstmalig in Deutschland von einem OLG die taggenaue Schmerzensgeldbemessung von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi angewendet wurde. Nach den Erfahrungen des Senats ist die Bemessung des Schmerzensgeldes in geradezu extremer Art und Weise von der persönlichen Situation des erkennenden Richters und auch von dem jeweiligen Landstrich bzw. Bundesland abhängig ist, in denen das Gericht sich gerade befindet. Der Senat vertritt die Auffassung, dass nach der bisherigen Schmerzensgeldmethode oftmals die Dauer der Lebensbeeinträchtigung zu kurz kommt. Zwar ist nach den gängigen Schmerzensgeldtabellen, wie unter anderem der Tabelle von Hacks/Wellner/Häcker oftmals das Alter des Verletzten in der Entscheidung angegeben, die genaue Dauer der Auswirkung findet aber wenig Bedeutung. Nach Ansicht des Senats sollte die Dauer der Beeinträchtigungen, das heißt die Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine viel größere Rolle spielen als bisher.

Exemplarisch verweist der Senat auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 19.11.2001 (13 U 136/98) und des OLG München vom 14.9.2005 (27 U 65/05). In beiden Entscheidungen ging es um eine Frau, bei der ein Schmerzensgeld von einmal 40.000 EUR und einmal 45.000 EUR bei einer Unterschenkelamputation ausgeurteilt wurde. Würde man hier die Lebenserwartung von noch ca. 40 Jahren berücksichtigen, ergebe diese Entscheidung einen Tagessatz von lediglich 3 EUR pro Tag. Nach Ansicht des OLG Frankfurt sind 3 EUR am Tag für eine Unterschenkelamputation viel zu wenig, um die Dauer der Beeinträchtigung angemessen zu berücksichtigen. Deswegen wendet der Senat nicht die bisherigen Schmerzensgeldtabellen an, sondern berechnet das Schmerzensgeld nach dem taggenauen System von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi. Der Senat bezieht sich bei seiner Berechnung auf das Handbuch Schmerzensgeld von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi und berücksichtigt den Aspekt, dass der Schmerz und die Beeinträchtigung für jeden Menschen gleich sind (Gleichheit vor dem Schmerz). Nach Ansicht des Senates dürfen daher der Schmerz und die Beeinträchtigung weder nach dem Einkommen, noch nach dem persönlichen Status des Geschädigten unterschiedlich bewertet werden.

Genau aus diesem Grund schließt sich der Senat der Auffassung von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi an, dass das Durchschnittseinkommen aller Deutschen maßgeblich sein muss, um eine einheitliche Bewertung vorzunehmen.

Es ist dann der sog. Tagessatz zu bilden. Je nach Schwere der Beeinträchtigung haben die Autoren Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi als Tagessatz bei der Intensivstation 15 % des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens verwendet. Bei dem stationären Aufenthalt 10 %, bei dem Reha-Aufenthalt 9 %, bei der häuslich ambulanten Behandlung 8 % und bei dem feststehenden Dauerschaden 7 % als Tagessatz.

Ferner bezieht sich das OLG Frankfurt bei der Lebensbeeinträchtigung nicht auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), d.h. die Minderung der Erwerbsfähigkeit, sondern auf den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) welcher auf Grundlage der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008 bemessen wird.

Der Senat bezieht sich deswegen auf den GdS, weil dieser Grad der Schädigungsfolgen ein Maß für die körperlich, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung eines Gesundheitsschadens ist. Der GdS drückt genau die Lebensbeeinträchtigungen aus, die für die Bemessung des Schmerzensgeldes relevant sind.

[4] Az. 22 U 97/16 vom 18.10.2018.

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