„ … II.

[8] 1. Die Tätigkeit der vom Kl. beauftragten Rechtsanwälte erfüllt den Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV RVG. Sie hatten den Bestand des titulierten Anspruchs zu prüfen, über den die Parteien in der notariellen Kaufvertragsurkunde eine Verrechnungsabrede getroffen hatten. Die hierzu entfalteten Tätigkeiten lösten die Geschäftsgebühr aus.

[9] a) Die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG entsteht gem. Vorbem. 2.3 Abs. 3 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Aus der systematischen Stellung im zweiten Teil des Vergütungsverzeichnisses ergibt sich, dass es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit handeln muss. Der Begriff "Betreiben des Geschäfts" ist weit auszulegen. Er umfasst unter anderem die erste auftragsgemäße Unterhaltung mit dem Auftraggeber, das anschließende Anlegen einer Handakte, den Entwurf eines Schreibens oder Schriftsatzes, seine Übersendung an den Auftraggeber zur Prüfung, die Durchsicht der Stellungnahme des Auftraggebers, die Reinschrift des Schriftsatzes, seine Unterzeichnung, seine Absendung und Einreichung sowie eine Akteneinsicht (Hartmann, KostG, 40. Aufl., VV 2300 Rn 12).

[10] b) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Ob daneben eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG in Ansatz gebracht werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Sie wird vorliegend nicht verlangt. Zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), einer negativen Feststellungsklage (vgl. BGH MDR 1985, 138; WM 2009, 918 Rn 8 f.), einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) oder einer auf § 826 BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder sonstigen Urteilsmissbrauchs (vgl. BGH BGHZ 40, 130, 132 f.; BGHZ 50, 115, 117 ff.; BGHZ 101, 380, 383 ff.; BGHZ 103, 44, 46 ff.) muss der beauftragte Rechtsanwalt die materielle Rechtslage sowie die Beweislage in vollem Umfang durchdringen. Der Bearbeitungsaufwand unterscheidet sich dann nicht von demjenigen, den der Rechtsanwalt hätte aufbringen müssen, wenn er vor Einleitung eines streitigen Erkenntnisverfahrens mit der zunächst außergerichtlichen Bearbeitung des Falls betraut worden wäre. Gleicht sich der jeweilige Bearbeitungsaufwand, gibt es keine Rechtfertigung, die Geschäftsgebühr nur deshalb als nicht angefallen anzusehen, weil sie möglicherweise in Konkurrenz zu einer Gebühr aus Nr. 3309 VV RVG tritt.

[11] aa) Dieser Befund wird bestätigt durch einen Vergleich der gebührenrechtlichen Lage vor Erhebung einer Leistungsklage einerseits und einer Vollstreckungsabwehrklage andererseits. Erhält ein Rechtsanwalt einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung und führt vor derselben noch erfolgreich außergerichtliche Verhandlungen mit dem Gegner, hat er Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100, 3101 VV RVG. Denn die außergerichtlichen Verhandlungen gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG zu der Tätigkeit in dem Rechtszug (LG Augsburg VersR 1967, 788; LG Berlin VersR 1968, 1001 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., VV 2300, 2301 Rn 6; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O. VV 3100 Rn 17 f.; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 3100 VV Rn 31). Nichts anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag zur Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO erhalten hat. Auch er hat bei Einreichung dieser Klage Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3309 Rn 334; Hartmann, a.a.O., VV 3309, 3310 Rn 41; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3 Rn 2). Folglich kann er diese Gebühr auch bei Erfolg außergerichtlicher Verhandlungen vor Klageeinreichung geltend machen. Hat der Rechtsanwalt, der einen Leistungsanspruch verfolgen (oder abwehren) soll, noch keinen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung (bzw. Verteidigung vor Gericht) erhalten, kann er erfolgreiche außergerichtliche Bemühungen gem. Nr. 2300 VV RVG abrechnen. Es gibt keinen Grund, warum die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage gebührenrechtlich anders behandelt werden sollte. Wenn diese Tätigkeit bei unbedingtem Klageauftrag der Tätigkeit im Vorfeld einer Leistungsklage (oder sonstigen Klage außerhalb eines Zwangsvollstreckungsverfahrens) gleich zu achten ist, kann sie bei noch nicht unbedingt erteiltem Klageauftrag nicht unterschiedlich zu vergüten sein. In dieser Weise sind die Rechtsanwälte des Kl. für diesen gegenüber der Bekl. tätig geworden. Sie sollten für ihn gegenüber der vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 25.4.2001 Erfüllung einwenden und hätten mithin bei Erfolglosigkeit der zunächst nur betriebenen außergerichtlichen Korrespondenz Vollstreckungsabwehrklage erheben müssen.

[12] bb) Eine gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende gebührenrechtliche Ungleichbehandlung der im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage tätigen Rechtsanwälte droht entgegen der Befürchtung der Revision nicht. Zwar begründet der für den Vollstreckungsgläubiger tätig...

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