Aus den Gründen: [7] „… II. Nach Auffassung des BG ist Gegenstand des Rechtsstreits allein die Neubemessung der Invalidität des Klägers nach § 11 (IV) der hier unstreitig vereinbarten AUB 94, weshalb die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils vom 14.11.2005, welches nur über die Erstbemessung der Invalidität entschieden habe, der Klage nicht entgegenstehe. Die Klage sei aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Neubemessung seiner Invalidität und darauf gestützte weitere Versicherungsleistungen. Es stehe rechtskräftig fest, dass der Invaliditätsgrad des Klägers am 10.10.2005, dem Tage der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess, 49 % betragen habe. Eine konkrete Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seither bis zum maßgeblichen Stichtag drei Jahre nach dem Unfall vom 28.6.2003 habe der Kläger mittels seiner lediglich pauschalen Bezugnahme auf das Privatgutachten nicht in beachtlicher Weise behauptet. …

[10] III. Das verletzt das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör.

[11] 1. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zum zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dieses Recht ist verletzt, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG NJW 2003, 2524). Insoweit hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO darauf hinzuwirken, dass sich die Parteien rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären und insbesondere auch Angaben zu geltend gemachten Tatsachen ergänzen (Senat NJW-RR 2009, 244 Tz. 9). Ein solcher Hinweis erfüllt seinen Zweck nur dann, wenn der Partei anschließend die Möglichkeit eröffnet wird, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung des Hinweises zu ergänzen (BGH VersR 2002, 444 unter II 2b m.w.N.). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet deshalb das BG dazu, neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht das Ausbleiben des Vorbringens in der ersten Instanz mit verursacht hatte (BGH NJW 2005, 2624 unter II 2b).

[12] 2. Diesen Maßstäben hält das Vorgehen des BG nicht stand.

[13] a) Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein die Neubemessung der Invalidität des Klägers nach § 11 (IV) AUB 94. Wie das BG zutreffend erkannt hat, stand der Klage deshalb der rechtskräftige Abschluss des Vorprozesses, welcher lediglich die Erstbemessung der Invalidität zum Gegenstand hatte, nicht entgegen. Die vom LG in erster Instanz ausgesprochene Abweisung der Klage als unzulässig war daher rechtsfehlerhaft. Stattdessen kam es für die Entscheidung auf die materiellen Voraussetzungen der Neubemessung insbesondere darauf an, ob sich der Gesundheitszustand des Klägers seit der Erstbemessung der Invalidität bis zum Stichtag drei Jahre nach dem Unfall verschlechtert hatte. Infolge seiner fehlerhaften Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Klage hat es das LG versäumt, auf vollständigen Klägervortrag zu den materiellen Voraussetzungen der Neubemessung durch einen geeigneten rechtlichen Hinweis hinzuwirken.

[14] b) Es hat zwar sein Urteil auch auf die Hilfserwägung gestützt, der Kläger habe überhaupt keine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes behauptet. Das trifft aber nicht zu. Der Kläger hatte sich zur Begründung seiner Klage auf das von ihm privat eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. S gestützt, dem zufolge gegenüber den früher festgestellten Schäden die oben genannten weiteren Schäden an der rechten Hand, am rechten Handgelenk sowie am linken Kniegelenk verschlimmernd hinzugekommen seien. Rechtlich ist ein solches Privatgutachten auch dann, wenn die Partei lediglich darauf Bezug nimmt, ohne den Inhalt mit eigenen Worten zu wiederholen, als besonders substantiierter, urkundlich belegter Parteivortrag einzuordnen (BGHZ 98, 32, 40; BGH VersR 1992, 722 unter II 2 m.w.N.; NJW 1982, 2874, 2875 unter I 1a und b, cc m.w.N.). Aus dem Klägervorbringen ergab sich mithin eine gesundheitliche Verschlechterung gegenüber den früher getroffenen ärztlichen Feststellungen.

[15] c) Die Besonderheit des Falles liegt allerdings darin, dass nach Auffassung des BG zum einen infolge des Vorprozesses alle gesundheitlichen Veränderungen beim Kläger bis zum Tage der dortigen mündlichen Verhandlung vom 10.10.2005 bereits in die Erstbemessung der Invalidität hätten einfließen können, sodass für die Neubemessung der Invalidität nur noch auf Veränderungen habe abgestellt werden dürfen, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind. Zum anderen endet der maßgebliche Beobachtungszeitraum drei Jahre nach dem Unfall vom 28.6.2003, mithin am 28.6.2006, während der Privatgutachter Dr. S den Kläger erst später, am 5.10.2006, untersucht hat. Mithilfe des auf das Privatgutachten gestüt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge