§ 3 ProdHaftG definiert den die Haftung auslösenden Fehler durch Bezugnahme auf das Verfehlen von Sicherheitserwartungen, die mit einem Produkt verbunden sind, die sich u.a. aus dessen Gebrauch ergeben, ohne den Adressatenkreis zu bestimmen, dessen Sicherheitserwartungen maßgeblich sind. Für den Bereich von Nahrungs- und Genussmitteln stellt diese Unschärfe der Begriffsbestimmung kein Auslegungsproblem dar, weil der Schutz des Endabnehmers bezweckt wird und damit auf den durchschnittlichen Konsumenten abzustellen ist (vgl. Brüggemeier/Reich, WM 1986, 1491; MüKo/Wagner, Bürgerliches Gesetzbuch, 5. Aufl., § 3 ProdHaftG Rn 6 und 8). Das hat die bedeutsame Konsequenz, dass offensichtliche Produktrisiken von Nahrungs- und Genussmitteln nicht deren Fehlerhaftigkeit begründen. Genussmittel wie Alkohol und Tabak, der übermäßige Konsum von Nahrungsmitteln können Erkrankungen wie Diabetes, Übergewicht und die Beeinträchtigung innerer Organe herbeiführen. Die deutsche Rechtsordnung legt zu Grunde, dass der Konsument verständig ist und solche Risiken meiden könnte, sodass Tabakwaren und Alkohol nicht wegen der Gefahr des Missbrauchs fehlerhaft sind (vgl. Wagner, a.a.O. Rn 16 unter Hinweis auf Begr. RegE zu dem ProdHaftG, BT-Drucks 11/2447, 18). Anders als im US-Recht, das etwa Tabakwaren per se als fehlerhaft ansieht (vgl. Steffen, NJW 1996, 3062; Buchner/Wiebel, VersR 2001, 29), ist das Inverkehrbringen etwa von Zigaretten nicht ausreichend, von dem Vorliegen eines produkthaftungsrechtlichen Fehlers auszugehen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1471; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 893; OLG Hamm NJW 2005, 295; LG Bielefeld NJW 2001, 2514). Dass die Aufnahme von Nahrungsmitteln zu Diabetes, Herzkrankheiten und Organleiden führen kann, begründet für sich gesehen noch keinen Fehler und auch nicht eine Warnpflicht des Herstellers, wobei allerdings die gesteigerte Kennzeichnungspflicht für Nahrungsmittel den Konsumenten auf etwaige Gesundheitsrisiken hinweist. Die angenommene "Verständigkeit" des Konsumenten schließt es auch aus, wegen verborgenem "Gefahrpotenzial" in einem Kirschkuchen eine Fehlerhaftigkeit des Produktes anzunehmen. Dass vereinzelt Kerne in dem Kirschkuchen vorhanden sein können, weiß der verständige Konsument ebenso, wie dass in einem filetierten Fisch gleichwohl noch Gräten vorhanden sein können.

Die Eingrenzung des Fehlerbegriffs erscheint auch sachgerecht. Eine Erstreckung der Haftung auf offensichtliche Risiken würde zu einem wirtschaftlich zwingenden Versicherungszwang führen, der die damit erfassten Produkte auf Grund der Einbeziehung der Versicherungsprämien in die Deckungsbeitragsrechung erheblich verteuern müsste.

RiOLG a.D. Heinz Diehl, Frankfurt am Main

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