Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Produkthaftung für "fehlerhafte" Konstruktion von Zigaretten

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 294/02)

 

Tenor

Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.6.2004.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Mit der angefochtenen eingehenden Entscheidung hat das LG Arnsberg zu Recht und - wie vom Kläger in der Berufung auch eingeräumt - in Übereinstimmung mit der gesamten vorliegenden Rechtsprechung zu dieser Thematik und der überwiegenden Auffassung in der Literatur einen Anspruch des Klägers auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie Auskunft und Feststellung gegen den Hersteller der nach seinen Angaben ausschließlich von ihm konsumierten Zigarettenmarke als unbegründet zurückgewiesen. Das Berufungsvorbringen, mit dem der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung und Entscheidung.

1. Soweit es um etwaige Ansprüche des Klägers aus dem Produkthaftungsgesetz vom 15.12.1989 geht, spricht bereits vieles dafür, dass das LG im Ergebnis zu Recht angenommen hat, dass die Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht in Betracht kommen. Denn der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben bereits im Jahre 1964 mit dem Rauchen von Zigaretten angefangen und bereits in den Jahren 1989/1990 seien die Zeichen einer kardiovasculären Erkrankung vorhanden gewesen, die im Frühjahr 1993 zu einem Infarkt geführt habe (vgl. zu dieser Problematik OLG Hamm ZLR 2001, 332; OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.3.2001 - 25 W 23/00, S. 14 Anl. B 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 23.12.2002). Für eine Haftung nach dem ProdHaftG - auch unter Einbeziehung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Einschränkungen aus § 13 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG - würde im Hinblick auf die bereits eingetretenen Gesundheitsschäden nicht allein der Hinweis auf eine möglicherweise generell ausreichende Mitursächlichkeit haftungsbegründender Umstände genügen, selbst wenn man das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen des ProdHaftG im Übrigen zugunsten des Klägers unterstellen würde. Es ist nicht dargelegt und ersichtlich, für welche nicht bereits vorhandenen Schäden eine Haftung nach dem ProdHaftG überhaupt zum Tragen kommen könnte.

Letztlich kann die Frage der Anwendbarkeit des ProdHaftG jedoch dahinstehen, da eine Haftung nach diesen Regelungen ebenso wie eine Produkthaftung nach den Vorschriften der unerlaubten Handlung auch aus anderen Gesichtspunkten ausscheidet. Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten als Zigarettenproduzentin der Umstand entgegensteht, dass die von ihr vertriebenen Zigaretten keine fehlerhaften Produkte darstellen.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein haftungsrelevanter Konstruktionsfehler bei Zigaretten nicht zu bejahen, was gleichermaßen für den Bereich der unerlaubten Handlung wie die Regelungen des ProdHaftG gilt. Die vom Zigarettenrauchen für den Konsumenten ausgehenden Gefahren für die Gesundheit sowie die Gefahr des Abhängigwerdens bzw. der Entstehung einer Sucht sind seit langer Zeit in der gesamten Bevölkerung allgemein bekannt (OLG Frankfurt v. 1.2.2001 - 1 W 11/00, NJW-RR 2001, 1471 = ZLR 2001, 339; OLG Hamm ZLR 2001, 332; LG Bielefeld v. 25.1.2000 - 8 O 411/99, NJW 2000, 2514 f.; LG Wiesbaden ZLR 2001, 342 ff.; Kullmann, Haftung von Tabakkonzernen für Raucherschäden, ZLR 2001, 231 [233]; Steffen, Produzentenhaftung für Raucherschäden in den USA - Von der Mitverantwortung des Richters für die Selbstverantwortlichkeit des Bürgers, NJW 1996, 3062 [3063]). Der Kläger konnte in der Vergangenheit und kann auch heute daher ebenso wie die sonstigen Konsumenten von Zigaretten nicht erwarten, dass Zigaretten - etwa durch Weglassen jedweder Zusatzstoffe sowie durch Einbau jeglicher denkbarer Schutzmechanismen - so konstruiert werden, dass die produktimmanenten Gefahren des Zigarettenrauchens nicht mehr von ihnen ausgehen. Die typischerweise mit der Benutzung eines Produkts verbundenen und dem Verbraucher bekannten und von ihm grundsätzlich in Kauf genommenen Gefahren braucht der Produzent nicht abzuwenden (BGH v. 17.10.1989 - VI ZR 258/88, MDR 1990, 425 = NJW 1990, 906; Kullmann, Haftung von Tabakkonzernen für Raucherschäden, ZLR 2001, 231 [233]). Bei der Frage, welche Gefahren der Allgemeinheit im Zusammenhang mit dem Rauchen von Zigaretten bekannt sind, ist dabei nicht entscheidend auf die medizinischen Einzelheiten der verschiedenen Erkrankungsbilder sowie die unterschiedlichen Ausprägungen von Zigarettengewöhnung bzw. Zigarettenabhängigkeit abzustellen, sondern es ist ausreichend, dass die Kernproblematik zum allgemeinen Grun...

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