[6] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in r+s 2021, 361 ff. veröffentlichten Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Anspruch der Klägerin gemäß §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 3 PflVG a.F., §§ 116, 119 SGB X sei nur in geringem Umfang begründet. Für die Jahre 2004 bis 2005 sei ein Anspruch der Klägerin zwar zunächst entstanden, weil der Anspruch der Geschädigten für diesen Zeitraum aufgrund der unstreitigen Kompensation der Klägerin gemäß § 116 Abs. 1 SGB X auf diese übergegangen und nicht durch ein Mitverschulden der Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB gemindert worden sei. Für die Geschädigte habe bis Ende 2005 keine Veranlassung bestanden, sich um eine Arbeit zu bemühen, weil ihr gutachterlich eine Erwerbsunfähigkeit attestiert worden sei. Die auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche seien durch Zahlungen der Beklagten jedoch bereits erfüllt worden.

[7] Ersatzansprüche der Klägerin für die Jahre 2006 bis 2018 bestünden nicht. Die Geschädigte und die Klägerin hätten in diesen Jahren gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen. Es könne nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe ein Anspruch entstanden sei, der auf die Klägerin übergegangen sei. Gemäß § 254 Abs. 2 BGB müsse sich der Geschädigte ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens zurechnen lassen. Es obliege dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten. Dies gelte nicht nur für das Bemühen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, sondern auch für die Teilnahme an Schulungen bzw. Umschulungen. Die Begründung der Klägerin, das Arbeitsamt habe die Geschädigte bereits 2006 aus der Vermittlung genommen, entlaste sowohl die Geschädigte als auch die Klägerin nicht, ihrer Obliegenheit nachzukommen, sich um eine Arbeitsstelle für die Geschädigte zu bemühen, die nach dem unstreitigen Vortrag jedenfalls nicht vollständig in ihrem Beruf körperlich eingeschränkt gewesen sei. Nur wenn derartige Bemühungen gescheitert wären, könne die Klägerin sich mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitsmarkt der Geschädigten verschlossen gewesen sei. Der Große Senat des Bundessozialgerichts fordere insoweit, dass der Rentenversicherungsträger der beruflichen Rehabilitation Vorrang vor einer Rente zu geben habe und aus eigener Verpflichtung – wenngleich mit Anspruch auf das Mittätigwerden anderer Stellen, insbesondere des Jobcenters – alle Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation des Versicherten ausschöpfen müsse. Dazu gehöre das Bemühen, einem behinderten Versicherten den für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz zu beschaffen. Diese Aufgabe verpflichte den Rentenversicherungsträger zu der Prüfung, ob dem leistungsgeminderten Rentenbewerber der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen sei oder nicht. Dahingehende Schlüsse seien am ehesten daraus zu ziehen, ob es dem Rentenversicherungsträger im Zusammenwirken mit dem für den Versicherten zuständigen Jobcenter gelinge, diesem innerhalb einer bestimmten Zeit einen seinem Leistungsvermögen und seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechenden Teilzeitarbeitsplatz anzubieten. Als zeitlicher Maßstab sei dabei in der Regel die Zeit von einem Jahr seit der Stellung des Rentenantrages anzusehen. Dieser Zeitraum reiche im Regelfall aus, um das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geeigneter Arbeitsplätze festzustellen.

[8] Nach diesen Maßgaben reiche es im Rahmen der sekundären Darlegungslast der Klägerin nicht aus, allgemein zu behaupten, es hätten geeignete Arbeitsplätze für die Geschädigte gefehlt. Erst wenn die Klägerin vorgetragen bzw. unter Beweis gestellt hätte, dass der Geschädigten von ihr bzw. vom Jobcenter oder einer anderen Stelle, derer sich die Klägerin bedient hätte, erfolglos eine Tätigkeit, Qualifizierungsmaßnahme oder Umschulungsmaßnahme angeboten worden sei, hätte angenommen werden können, dass die Geschädigte keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt gehabt hätte. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass etwaige Bemühungen der Klägerin von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen wären und der Arbeitsmarkt für die Geschädigte praktisch verschlossen gewesen wäre.

[9] Es verbleibe demnach lediglich ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen in Höhe von 1.303,80 EUR, der mit der Berufung nicht angegriffen worden sei.

[10] II. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG a.F., §§ 116, 119 SGB X nicht verneint werden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach Ersatzansprüche der Klägerin wegen auf sie übergegangener Ansprüche der Geschädigten auf Ersatz des Verdienstausfallschadens aufgrund des unfallbedingten Verlustes ihres Arbeitsplatzes für die Jahre 2006 bis 2018 nicht bestünden, weil die Geschädigte und die Klägerin in diesen Jahren gegen ihre...

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