BGB § 280 § 675; VVG § 186

Leitsatz

1. Ein Mandat, das einem Rechtsanwalt "wegen Verkehrsunfall" erteilt wird, erstreckt sich nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einem privaten Unfallversicherer auch wenn dieser mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners identisch ist.

2. Hat ein Unfallversicherer den Mandanten mehrfach verständlich über eine Ausschlussfrist belehrt und hat der Mandant den Hinweis verstanden, besteht keine Pflicht des Anwalts, diesen Hinweis zu wiederholen.

OLG Schleswig, Urt. v. 10.2.2022 – 11 U 73/21

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem Anwaltsvertrag. Der Kl. wurde als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem Auto schwer verletzt. Der Bekl. zu 2). vertrat den Kl. bei der Abwicklung der Unfallschäden. Der Kl. war Inhaber einer Unfallversicherung bei der X-Versicherung, diese Gesellschaft war auch Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Der Unfallversicherer wies den Kl. mehrfach schriftlich darauf hin, dass Leistungen ausgeschlossen seien, wenn nicht eine ärztliche Feststellung der Invalidität erfolge. Die Schreiben des VR übersandte der Kl. an den Bekl., der gegenüber dem Unfallversicherer nicht tätig wurde. Der VR lehnte später Leistungen ab, da die Invalidität nicht innerhalb der hierfür vereinbarten Frist festgestellt worden sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kl. habe nicht ausreichend darlegen und beweisen können, dass die Angelegenheit der Unfallversicherung Gegenstand des Mandats gewesen sei. Die Darstellung des Kl., darüber, wie er dem Bekl. zu 2) einen Auftrag erteilt haben wolle, sei nicht nachvollziehbar. Ein Vertrag ergebe sie nicht schon durch die Unterzeichnung der Vollmacht mit dem Betreff "wegen Verkehrsunfall".

2 Aus den Gründen:

Der Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl. aus einem Anwaltsvertrag …

1. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung besteht nicht deshalb, weil die Bekl. vom Kl. ausdrücklich oder schlüssig beauftragt worden sind, seine Ansprüche gegenüber dem Unfallversicherer durchzusetzen oder ihn hinsichtlich der Durchsetzung dieser Ansprüche zu beraten, beides aber unterlassen haben. Es steht nicht fest, dass sich das Mandat der Bekl. auf diesen Gegenstand erstreckte.

1.1. Vertragspartner des Kl. sind beide Bekl. geworden, auch wenn die Beratung und Vertretung nur durch den Bekl. zu 2 erfolgte. Zum Zeitpunkt der Mandatierung im Juni 2015 waren die beiden beklagten Rechtsanwälte in Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig.

1.2. Darlegungs- und beweisbelastet für den Umfang des Mandats ist der Kl., er muss also beweisen, dass sich das Mandat auch auf den Gegenstand "Unfallversicherung" erstreckte (…).

Aus den schriftlichen Erklärungen, insbesondere aus der Vollmachtsurkunde ergibt sich kein Hinweis auf eine Mandatierung mit diesem Gegenstand. Zwar wird dort Vollmacht erteilt "wegen Verkehrsunfall". Nach der Wortbedeutung mag die Interessenvertretung gegenüber dem Unfallversicherer darunter fallen, da auch diese Ansprüche durch den Verkehrsunfall verursacht worden sind, im weitesten Sinne also wegen Verkehrsunfalls bestehen konnten. Bei dieser weiten Auslegung wäre der Mandatsgegenstand indessen kaum einzugrenzen und würde eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen umfassen.

Denn auch eine mögliche Auseinandersetzung mit einem Krankenversicherer kann durch den Verkehrsunfall verursacht werden, ebenso wie die Auseinandersetzung mit einer Autowerkstatt, sollte es Probleme bei der Reparatur des Autos geben, oder mit dem eigenen Vollkaskoversicherer, sollte dieser eine Regulierung ablehnen. Üblicherweise steht bei der anwaltlichen Vertretung nach Verkehrsunfällen die Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner im Vordergrund. Ein darüber hinausgehendes Mandat hätte zur Folge, dass hierfür Rechtsanwaltsgebühren anfallen können, die nicht vom Unfallgegner oder dem eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer zu tragen sind. Anders als bei der Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner bedarf es für die Interessenwahrnehmung gegenüber einem Unfallversicherer im Regelfall zunächst keiner anwaltlichen Beratung. Es wäre deshalb zu erwarten, dass bei einem Mandat, das sich auch auf die Auseinandersetzung mit den eigenen VR erstreckt, ausdrücklich ein gesonderter Auftrag erteilt wird.

Ein mündlicher Auftrag, auch in Sachen Unfallversicherung zu beraten und zu vertreten, steht ebenfalls nicht fest. Das LG konnte sich nicht die Überzeugung bilden, dass ein solcher mündlicher Auftrag erteilt wurde …

Die Schilderung des Bekl. zu 2, er habe als Reaktion auf die E-Mail in der sich der Kl. über ihn beklagte, mit diesem Kontakt aufgenommen, ist plausibel. Dies gilt auch für die Darstellung des Bekl. zu 2, man sei wegen der durch die Mandatierung entstehenden Kosten so verblieben, dass der Kl. sich selbst darum kümmere, dass der Arzt die notwendigen Angaben gegenüber dem VR mache. Denn zur Wahrung der Frist bedurfte es einer anwaltlichen Tätigkeit tatsächlich nicht. Der Kl. benötigte nur eine formularmäßige ärztliche Beschei...

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