"… Die Klage ist nicht begründet."

I. Der geltend gemachte, auf die “X-Police' gestützte versicherungsvertragliche Leistungsanspruch (§§ 1 S. 1, 44 Abs. 1 S. 1 VVG) besteht nicht.

1. Zwar stellt die Entwendung der Goldmünze aus dem Bode-Museum nach den im Versicherungsschein in Verbindung mit den AVB X getroffenen Vereinbarungen ein versichertes Ereignis dar. Der Anspruch wäre auch fällig. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn die Bekl. ist wegen vorsätzlicher Gefahrerhöhung gem. Ziff. X AVB X und (gleichlautend) § 26 Abs. 1 S. 1 VVG leistungsfrei.

2. Eine Gefahrerhöhung ist gegeben, wenn durch Veränderung sicherheitsrelevanter Umstände ein Zustand von gewisser Dauer geschaffen wird, der für das versicherte Risiko eine erhöhte Eintrittswahrscheinlichkeit begründet, durch den also das Äquivalenzverhältnis des Versicherungsvertrages gestört wird (Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Aufl. 2018, VVG § 23 Rn 7; BeckOK VVG/Staudinger, 6. Ed. 28.2.2019, VVG § 23 Rn 21). Zu vergleichen ist die tatsächliche Risikolage bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherers mit der Risikolage bei Eintritt des Versicherungsfalles (Staudinger, a.a.O., Rn 23).

3. Vorrangige vertragliche Abreden hinsichtlich des von der Streithelferin einzuhaltenden Sicherheitsstandards bestanden vorliegend nicht. Insb. haben die Parteien des Versicherungsvertrages ausweislich der vorliegenden Vertragsunterlagen kein bestimmtes Sicherheitskonzept (…) zur Vertragsgrundlage erklärt. Eine Einbeziehung – mithin eine Vertragsänderung – im Zuge der jährlichen Vertragsverlängerungen hat ebenfalls nicht stattgefunden. Denn dabei wird nur die Dauer des Vertrages, nicht sein Inhalt angepasst.

4. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages Ende 2012 bestand für das Fenster der Herren-Umkleide ebenso wie für die gesamte Gebäudeaußenhülle neben der Glasbruchüberwachung eine elektrische Öffnungsüberwachung dergestalt, dass jede Öffnung eines Fensterflügels ein Warnsignal in der Überwachungszentrale des Museums auslöste. Diese Öffnungsüberwachung wurde seitens der für die Sicherheit verantwortlichen Mitarbeiter des Bode-Museums aufgrund von Störungen bei der Signalentstehung deaktiviert. Darin lag auch nach dem Vortrag der Streithelferin des Kl. eine Gefahrerhöhung, d.h. eine dauerhafte Zustandsänderung, die als Grundlage eines neuen natürlichen Geschehensablaufs den Eintritt des Versicherungsfalles dauerhaft zu fördern geeignet war (vgl. BGH zfs 2014, 696). Eine derartige Veränderung, insb. die Aufrechterhaltung eines Zustandes, der einer unverzüglichen Beseitigung zugängliche gewesen wäre, ist nach den vorliegenden vertraglichen Abreden nicht mitversichert.

5. Es ist nicht erkennbar, dass die Deaktivierung lediglich über einen bis zur Reparatur unvermeidbaren Zeitraum bestand, was die Gefahrerhöhung infrage stellen und ggf. nur eine Mitverursachung des Versicherungsfalles i.S.d. § 81 VVG begründen könnte. Die Deaktivierung erfolgte für einen längeren, im Sinne einer Gefahrerhöhung jedenfalls nicht unerheblichen Zeitraum. Schon der genaue Zeitpunkt der Deaktivierung ist nicht vorgetragen; insoweit trifft den Kl. eine sekundäre Darlegungslast, für die er die erforderlichen Informationen von der Streithelferin beziehen kann. Die Erteilung eines Reparaturauftrags hat die Klägerseite ebenso wenig behauptet wie sonstige Maßnahmen, um die Fehlfunktion zu beheben. Sie hat auch nicht geltend gemacht, dass der Defekt nicht zeitnah hätte beseitigt werden können. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob die Deaktivierung, wie die Bekl. behauptet, bereits im Jahre 2014 oder erst, was die Streithelferin des Kl. behauptet, wenige Tage vor dem streitgegenständlichen Einbruch erfolgte. Denn eine Gefahrerhöhung i.S.d. Ziff. X der AVB X bzw. des § 23 Abs. 1 VVG beginnt mit dem Anfang des Geschehens, in dessen Verlauf es zu einer erhöhten Bedrohung des versicherten Risikos kommt und liegt folglich bereits ab der Zustandsänderung vor, wenn diese – wie hier – als dauerhaft im dargestellten Sinne anzusehen ist (BGH zfs 2012, 632).

6. Die Entfernung der Fenstergriffe war nicht geeignet, die Deaktivierung der elektrischen Öffnungsüberwachung hinsichtlich des Gefährdungspotentials zu kompensieren (vgl. zur Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung aller Gefahrenumstände: BGH a.a.O.). Denn die elektrische Öffnungsüberwachung löste bei jeder Trennung eines Fensterflügels vom Rahmen ein Warnsignal aus. Es war daher in keiner Weise möglich, das Fenster unbemerkt zu öffnen. Ohne entsprechende Überwachung konnten die Fensterflügel trotz fehlender Griffe von innen mit Hilfe eines einfachen handelsüblichen Werkzeugs, eines sog. 4-Kants, durch jede Person geöffnet werden, die sich Zutritt zur Herren-Umkleide verschaffen konnte, z.B. durch einen sog. Einschließtäter oder jeden Museumsmitarbeiter. Es bestand außerdem die Gefahr, dass ein zur Raumlüftung geöffneter Fensterflügel – versehentlich oder absichtlich – in nicht verriegeltem Zustand geschlossen wird und d...

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