"…"

[7] II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. (…)

[15] 2. (…) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts stellt die Behauptung des AG, die Tätigkeit der ASt. sei für den späteren Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine Einwendung dar, die ihren Grund im Gebührenrecht hat und daher der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht, sondern im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu überprüfen ist.

[16] a) Noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass auch die von einem Rechtsanwalt für den Abschluss eines außergerichtlich abgeschlossenen Einigungsvertrags verdiente Einigungsgebühr nach VV Nr. 1000, 1003 RVG im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG festgesetzt werden kann, wenn mit dem Einigungsvertrag ein gerichtliches Verfahren ganz oder teilweise beendet worden ist (BeckOK RVG/v. Seltmann [1.12.2018] § 11 Rn 12; Schneider/Volpert/Fölsch/Klos, Gesamtes Kostenrecht 2017 § 11 RVG Rn 13; vgl. auch OLG Hamm JurBüro 2005, 87).

[17] b) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, wonach der Einwand der Partei, die Tätigkeit ihres früheren Rechtsanwalts sei nicht ursächlich für das Zustandekommen eines später von dieser außergerichtlich durch andere Rechtsanwälte mit der Gegenseite abgeschlossenen Vergleichs gewesen, als nicht gebührenrechtlicher Einwand i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG anzusehen sei.

[18] aa) Ob die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines früheren Prozessbevollmächtigten sei für den Abschluss eines späteren außergerichtlich abgeschlossenen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine nicht gebührenrechtliche Einwendung i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG darstellt, ist umstritten.

[19] Vereinzelt wird in der obergerichtlichen Rspr. mit dem Beschwerdegericht die Auffassung vertreten, dass der Streit um die Ursächlichkeit einer früheren anwaltlichen Tätigkeit für einen später ohne die Beteiligung des Rechtsanwalts abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich im Hinblick auf den Zweck des vereinfachten Festsetzungsverfahrens als eine Einwendung zu betrachten sei, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund habe, so dass eine Gebührenfestsetzung nach § 11 Abs. 1 RVG ausscheide (OLG Frankfurt JurBüro 1987, 1799; KG, Beschl. v. 11.5.1979 – 1 W 879/79 – juris Rn 4 jeweils zu § 19 Abs. 4 BRAGO; Hartmann/Toussaint Kostenrecht 50. Aufl. § 11 RVG Rn 83 “Vergleich').

[20] Die überwiegende Ansicht in Rspr. und Schrifttum bejaht bei einem Streit über die Ursächlichkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem späteren Vergleichsabschluss hingegen das Vorliegen einer gebührenrechtlichen Einwendung, die der Festsetzung der Einigungsgebühr im Festsetzungsverfahren nicht entgegensteht (KG Beschl. v. 10.1.2017 – 27 W 103/16 – BeckRS 2017, 101889; KG RVGreport 2009, 275 (Hansens) = AGS 2009,33 = JurBüro 2009, 35; OLG Köln JurBüro 2013, 87 = MDR 2012, 1498, 1499; Mayer/Kroiß RVG 7. Aufl. § 11 Rn 23; BeckOK RVG/v. Seltmann [1.12.2018] § 11 Rn 12; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 24. Aufl. § 11 Rn 84 f. und 158; Hansens/Braun/Schneider Praxis des Vergütungsrechts 2. Aufl. Teil 4 Rn 160; AnwKomm-RVG/N. Schneider 8. Aufl. § 11 Rn 187; Hartung/Schons/Enders RVG 3. Aufl. § 11 Rn 55; Hansens zfs 2020, 44 f.).

[21] bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.

[22] (1) Nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der AG Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.

[23] Gebührenrechtlich ist eine Einwendung oder eine Einrede, wenn sich der AG darauf beruft, die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Festsetzungsverfahren geltend gemachten Gebühr nach dem RVG seien nicht erfüllt. Hierzu zählt etwa der Einwand, der Anwalt habe nach einer unzutreffenden Ziffer des Vergütungsverzeichnisses abgerechnet oder die geforderte Vergütung sei nicht in der geforderten Höhe entstanden (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschl. v. 26.11.2018 – 5 Ta 159/18 – juris Rn 22; Mayer/Kroiß/Mayer RVG 7. Aufl. § 11 Rn 136).

[24] Dagegen ist eine Einwendung oder Einrede in der Regel dann nicht gebührenrechtlicher Art, wenn sie ihren Grund in materiell-rechtlichen Vorschriften hat oder auf besondere Abreden zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gestützt wird (Hansens zfs 2020, 42, 43). So wurden in der obergerichtlichen Rspr. zum Beispiel das Bestreiten des Mandanten, dem Rechtsanwalt einen entsprechenden Auftrag erteilt zu haben (OLG Koblenz NJOZ 2005, 1689, 1690; vgl. auch BVerfG RVGreport 2016, 253 (Hansens)), die Aufrechnung des Auftraggebers gegen die zur Festsetzung angemeldete Vergütungsforderung mit einer Gegenforderung (OLG Frankfurt RVGreport 2017, 330 (Ders.) = AGS 2017, 399 = JurBüro 2017, 409), die Behauptung, der Rechtsanwalt habe die geltend gemachte Vergütungsforderung gestundet (OLG Naumburg RVGreport 2017,50 (Ders.) = AGS 2017, 117) oder die Erfüllung der...

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