Die gerichtliche Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs gegen die Staatskasse hat keine Bindungswirkung für die dem freigesprochenen Angeklagten durch seinen Rechtsschutzversicherer zu erstattenden Kosten.[23]

Der Entscheidung des AG Wiesbadens lag folgender Fall zugrunde:

Die klagende RS-Versicherung hat im Rahmen eines Strafverfahrens gegen ihren VN Anwaltskosten als Vorschuss gezahlt. Nachdem der VN freigesprochen worden ist, wurden die von der Staatskasse zu zahlende RA-Kosten um 319,00 EUR niedriger festgesetzt als vom Anwalt beantragt und von der RS Versicherung vorgeschossen war. Die RS-Versicherung verlangt nun die danach zu viel gezahlten Kosten i.H.v. 319,00 EUR. Der von der Gerichtskasse erstattete Betrag wurde an den Kläger zurückgezahlt.

Die gerichtliche Kostenfestsetzung ist für die Höhe der Kostenübernahmepflicht der Klägerin im Verhältnis zu ihrer VN jedoch nicht bindend. Der BGH hat bereits im Jahre 1972 entschieden, dass die RS-Versicherung den Differenzbetrag zahlen muss, wenn ein Verteidiger von seinem Mandanten, für den er einen Freispruch erzielt hat, innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens eine höhere Vergütung verlangen kann, als im Verfahren nach § 464b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist.[24] Dies wurde damit begründet, dass derjenige VN, der einen Freispruch erziele, nicht schlechter gestellt sein könne, als derjenige, der verurteilt werde. Da im Falle der Verurteilung kein Dritter für die Kosten erstattungspflichtig sei, trage der Rechtsschutzversicherer die Kosten in vollem Umfang. Dies müsse erst recht bei einem Freispruch gelten, wenn die notwendigen Auslagen von der Staatskasse nicht vollständig zu erstatten sind. Der Zweck einer jeden RS-Versicherung bestehe gerade darin, den VN von den ihm erwachsenden Kosten frei zu halten und dies sei bei einem Freispruch keineswegs weniger als bei einer Verurteilung.

Für die Höhe der Leistungspflicht gilt jedoch im Verhältnis zwischen Rechtsschutzversicherer und VN § 5 Abs. 1a ARB, wonach die Vergütung eines für den VN tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts geschuldet wird. Die Höhe der gesetzlichen Vergütung richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Der Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich des Erstattungsanspruchs gegenüber der Staatskasse kann durchaus einen abweichenden Betrag festsetzen. Eine Bindungswirkung besteht nicht. Der Verteidiger muss sich im Verhältnis zu seinem Mandanten nicht mit der Gebühr begnügen, die nach § 464b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist.

Die Beklagte hat für ihre Vergütung jeweils die Mittelgebühr angesetzt, weil sie von einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad ausging. Demgegenüber hat das AG Wiesbaden bei der Festsetzung des Erstattungsanspruchs die Auffassung vertreten, dass die anwaltliche Tätigkeit bezüglich der Kriterien Bedeutung für den Mandanten, Schwierigkeitsgrad und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie Einkommensverhältnisse des Mandanten nur eine Festsetzung der Rahmengebühren im unteren Bereich rechtfertigt. Das Gericht hat zur Frage der Angemessenheit der beanspruchten Rechtsanwaltsvergütung ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer eingeholt. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass die in den Rechnungen der Beklagten berechneten Gebühren angemessen sind. Dies wird damit begründet, dass das wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen die VN eingeleitete Strafverfahren für die VN von erheblicher Bedeutung war. Dies ist angesichts der weitreichenden Folgen, die eine Verurteilung nach sich gezogen hätte, plausibel. Ferner berücksichtigt die Rechtsanwaltskammer, dass der Arbeitsumfang und die Intensität der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich waren und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der VN als unterdurchschnittlich eingestuft werden und kommt bei einer Gesamtwürdigung zu der Auffassung, dass der Fall insgesamt als durchschnittlich einzustufen sei. Das Gericht folgt den nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen der Rechtsanwaltskammer und hält daher die … Festsetzung von Mittelgebühren im vorliegenden Fall für angemessen, so dass die beanspruchte Rechtsanwaltsvergütung nicht zu beanstanden ist.

[23] AG Wiesbaden, Urt. v. 22.9.2008 – 93 C 6107/07 – zfs 2009, 33 f.
[24] Vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1972 – VII ZR 41/71 – VersR 1972, 1141.

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