StVG § 3 Abs. 4 S. 1; FeV § 13 S. 1 Nr. 2b

Die in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG angeordnete Bindung der Verwaltungsbehörde an die Beurteilung der Kraftfahreignung in einem Strafurteil steht nicht nur der Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern auch vorbereitenden Aufklärungsmaßnahmen wie der Anforderung eines Gutachtens auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV entgegen (wie BVerwG, Urt. v. 15.7.1988 – 7 C 46.87 – BVerwGE 80, 43; Beschluss des Senats vom 17.11.2008 – 10 S 2719/08 – zfs 2009, 178).

Die Bindungswirkung tritt nicht ein, wenn die Fahrerlaubnisbehörde einen umfassenderen Sachverhalt als das Strafgericht zu beurteilen hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Fahrerlaubnisbehörde die Gutachtensanforderung nur auf strafgerichtliche Vorverurteilungen stützt, die das Strafgericht in seinem letzten Urteil bei der Strafzumessung zu Lasten des Führerscheininhabers berücksichtigt hat.

VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.5.2010 – 10 S 256/10

Aus den Gründen:

“Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des VG Freiburg vom 26.1.2010 [5 K 4/10] ist zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und hat auch in der Sache Erfolg. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass abweichend von der Entscheidung des VG das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Verfügung des Landratsamts B. vom 10.12.2009 vor einer endgültigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung vorgeht. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Widerspruch des Antragstellers und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage Erfolg haben werden, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung bestehen.

Das Landratsamt hat dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen, weil er ein nach § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV angefordertes Eignungsgutachten nicht beigebracht hat. Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Annahme des VG, dass die in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids erklärte Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt (vgl. zu diesen Anforderungen Beschluss des Senats vom 24.6.2002 – 10 S 985/02 – [zfs 2002, 504 =] VBIBW 2002, 441) und die Gutachtensanordnung des Antragsgegners vom 8.10.2009 den an sie zu stellenden formellen Anforderungen entspricht. Wie das VG zu Recht näher darlegt, ist die Gutachtensanforderung trotz der falschen Datumsangabe aus sich heraus verständlich und wurde vom Antragsteller auch zutreffend verstanden. Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass sich in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens vom 8.10.2009 keine genaue Angabe der vom Landratsamt als Grundlage herangezogenen Bestimmung der FeV findet (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 18.5.2004 – 10 S 2796/03 – [zfs 2004, 536 =] VBIBW 2004, 428).

Das VG hat jedoch übersehen, dass hier die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, jedenfalls bei summarischer Prüfung entgegenstehen dürfte. Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie gem. § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung u.a. der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (vgl. § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 Abs. 1 StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass Doppelprüfungen unterbleiben und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet wird. Der Vorrang der strafrichterlichen vor der behördlichen Entscheidung findet seine innere Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung keine Nebenstrafe, sondern eine in die Zukunft gerichtete, auf Grund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr ist. Insofern deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde. Während die Behörde allerdings die Kraftfahreignung auf Grund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers zu beurteilen hat, darf der Strafrichter nur eine Würdigung der Persönlichkeit vornehmen, soweit sie in der jeweiligen Straftat zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung auch nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in de...

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