Aus den Gründen: „… Das LG hat die Klage abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, für den Fahrzeugschaden der Klägerin sei allein der Fahrzeugführer – der Zeuge A – verantwortlich. Dieser habe den Leihwagen vor der Sperrbake nicht mehr zum Stehen gebracht und daher gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen.

Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung, mit der die Klägerin ihr Schadensersatzbegehren – wenn auch zu einer verminderten Quote von nur noch 50 % – weiter verfolgt.

Die klageabweisende Entscheidung des LG lässt im Ergebnis keinen Tatsachen- oder Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen; die Berufung hat daher keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klägerin wirft der Beklagten eine unzureichende Ausschilderung der Baustelle und damit eine Verletzung der Verkehrsregelungspflicht des § 45 Abs. 1, 3 StVO sowie – daneben – eine unzureichende Beleuchtung der Sperrschranke und damit eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Ungeachtet der von der Beklagten zur Rechtsverteidigung im Übrigen vorgebrachten Argumente – keine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsregelungspflicht wegen des Verweisungsprivilegs des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB; hinreichende Kontrolle und Überwachung der Streitverkündeten und daher auch keine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht – scheitert eine (Amts-)Haftung der Beklagten jedenfalls an dem ganz überwiegenden Eigenverschulden des Zeugen A an dem Unfall.

Ist an der Entstehung des Schadens – wie hier – ein Kraftfahrzeug beteiligt, ist dem Eigentümer und Halter desselben – hier also die Klägerin – bei der Haftungsabwägung nach § 254 Abs. 1 BGB die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anzulasten. Ein Mitverschulden des Fahrers muss er sich als einen die Betriebsgefahr erhöhenden Umstand anrechnen lassen, ohne sich auf die Entlastungsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB berufen zu können (BGH VersR 1965, 712; NJW 2000, 3069; 2004, 772, 2005 1940).

Von einem solchen Unfallverschulden des Zeugen A ist das LG zu Recht ausgegangen; der Zeuge hat gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen.

Das Sichtfahrgebot soll nicht nur vor Kollisionen mit Entgegenkommenden, sondern auch davor schützen, auf Hindernisse aufzufahren. Mit Fahrbahnhindernissen muss der Kraftfahrer stets rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit (OLG Naumburg NZV 1999, 466; OLG Schleswig NZV 1995, 445; OLG Zweibrücken NZV 1993, 153). Der Fahrzeugführer muss daher (auch) vor unvermuteten Hindernissen auf der Fahrbahn anhalten können. Dies erlaubt nur ein – von § 3 Abs. 1 S. 4 StVO gefordertes – Fahren auf Sicht. Durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt wird das Sichtfahrgebot nur für solche Hindernisse, mit denen der Kraftfahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss; wie z.B. mit unvermittelt von der Seite zwischen parkenden Fahrzeugen hervortretenden Fußgängern oder mit einem plötzlich vom Müllfahrzeug abspringenden Müllwerker (BGH NJW 1985, 1950; KG NZV 1998, 376; OLG Köln VRS 1989, 105 und 446; OLG Oldenburg NZV 1990, 158).

Mit solchen Fallkonstellationen ist der Entscheidungsfall nicht vergleichbar; eine vor einer (Straßen-)Baustelle aufgestellte Sperrschranke ist kein außergewöhnliches Hindernis, mit dem unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt zu rechnen ist.

Die Klägerin kann sich bzw. den Zeugen A auch nicht damit von einem Verstoß gegen das Sichtfahrgebot freisprechen, dass sie eine nur ungenügende – “funzelartige’ – Beleuchtung der Sperrschranke geltend macht. Das Nichterkennen eines Fahrbahnhindernisses ist nur dann nicht vorwerfbar, wenn es sich um ein ungewöhnlich schwer sichtbares – weil kleines oder kontrastarmes – Hindernis handelt, auf das nichts hindeutet; wie z.B. ein Eisenteil oder eine Stange auf der Autobahn (OLG Düsseldorf NZV 1990, 231; OLG Nürnberg DAR 1996, 59).

Auch ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Selbst dann, wenn die Sperrschranke überhaupt nicht beleuchtet gewesen wäre, wäre sie allein ihrer Größe wegen durch die Straßenbefeuchtung und das Fahrzeuglicht hinreichend erkennbar gewesen; von einem ungewöhnlich schwer sichtbaren Hindernis kann nicht die Rede sein. Mit nicht ungewöhnlichen Fahrbahnhindernissen – wie hier der Sperrschranke – hat der Kraftfahrer aber nachts auch im unbeleuchteten Zustand zu rechnen (BGH VRS 33, 368; OLG Hamm NZV 1999, 128; OLG Zweibrücken NZV 1993, 153; OLG Frankfurt NZV 1990, 154).

Im Ergebnis der vorstehenden Überlegungen steht fest, dass der Zeuge A schuldhaft gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs 1 S. 4 StVO verstoßen hat. Die mit der Berufung erhobene Feststellungsrüge der Klägerin verfängt nicht; wie schnell der Zeuge exakt gefahren ist, muss nicht durch ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten festgestellt werden.

§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO gibt dem Kraftfahrer auf, nur so schnell zu fahren, dass er auf der übersehbaren Strecke vor ihm jederzeit auch noch vor einem unvermuteten Hindernis anhalten kann. Da feststeht, dass der Zeuge A vor der Sperrschranke nicht mehr anh...

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