Die Problemstellung ist schnell beschrieben: Kann ein Geschädigter, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, wegen eines Verkehrsunfalls in den Niederlanden den Haftpflichtversicherer des Schädigers mit Sitz in den Niederlanden vor seinem deutschen Wohnsitzgericht in Anspruch nehmen? Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Auslegung von Artt. 11 Abs. 2 und 9 Abs. 1b EuGVVO[2] ab. Dabei stand im Vordergrund, wie die Tragweite der Verweisung in Art. 11 Abs. 2 auf Art. 9 Abs. 1b EuGVVO zu bestimmen ist. Ergab sich aus ihr auch, dass für Klagen des Geschädigten unmittelbar gegen den Versicherer das Gericht am Wohnsitz des Klägers zuständig ist? Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs[3] neigte dazu, die Frage zu bejahen, hatte sie aber zunächst dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Dieser hat die Auffassung des Bundesgerichtshofs bestätigt, der inzwischen seinerseits i.S.d. EuGH – und seines Vorlagebeschlusses – erkannt hat.[4] Ohne hier auf Einzelheiten der Auslegung einzugehen, gilt danach: Ein Geschädigter, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat (hier also unser Geschädigter mit Wohnsitz in Deutschland) kann vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer erheben, wenn dieser seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat (hier in den Niederlanden) und – darauf ist stets zu achten – eine solche unmittelbare Klage zulässig ist. Letzteres ist im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung in allen Mitgliedsstaaten möglich,[5] für die Haftpflichtversicherung im Allgemeinen, für die die oben dargestellten Grundsätze ebenso gelten, aber jeweils nach dem Recht des Mitgliedsstaates zu beurteilen, in dem der Versicherer seinen Sitz hat. Diese Bestätigung des internationalen Gerichtsstandes am Wohnsitz des Geschädigten ist sicherlich sehr bedeutsam, indessen sollte – so mit Recht Kummer[6] – der Nutzen des Klägergerichtsstandes auch nicht überschätzt werden. Das Gericht am Wohnsitz des Geschädigten wird nämlich regelmäßig ausländisches Recht anzuwenden haben (vgl. Art. 40 Abs. 1, 4 EGBGB "Tatortprinzip"; Art. 4 Abs. 1 Rom II "Recht des Erfolgsortes"). Mit diesem kurzen Hinweis mag es hier sein Bewenden haben.

[2] Art. 11 Abs. 2: Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den Versicherer (gemeint: Haftpflichtversicherer) erhebt, sind die Art. 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.

Art. 9 Abs. 1 Buchst. b: Ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, kann verklagt werden:

a) …

b) in einem anderen Mitgliedsstaat bei Klagen des Versicherungsnehmers, des Versicherten, des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat. …

[5] Vgl. schon Richtlinie 2000/26 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.5.2000 (Vierte Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie) ABlEG 2000 L 181/65.
[6] juris Pr-BGHZivilR 18/2008.

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