VV RVG Nr. 3100 Nr. 3101

Leitsatz

Für die gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereichte Schutzschrift mit Sachvortrag erhält der mit der Vertretung im erwarteten Eilverfahren betraute Rechtsanwalt die 1,3-fache Gebühr nach Nr. 3100 RVG VV, wenn der Verfügungsantrag bei Gericht eingeht und später wieder zurückgenommen wird.

BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – I ZB 20/07

Sachverhalt

Wegen eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin abgemahnt. Die Antragsgegnerin ließ deshalb durch ihren Verfahrensbevollmächtigten beim LG Köln eine Schutzschrift einreichen. Diese enthielt den Antrag, einen etwaigen Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Ferner enthielt der Schriftsatz eine nähere Begründung hierzu. Am folgenden Tage beantragte die Antragstellerin bei dem LG Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach einiger Zeit nahm die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wieder zurück. Das LG Köln erlegte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auf. Die Antragsgegnerin beantragte hieraufhin die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG nebst Auslagen. Der Rechtspfleger des LG Köln hat diese Kosten zunächst antragsgemäß festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin führte zur Herabsetzung des Erstattungsbetrags auf eine 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG nebst Auslagen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin führte zur Wiederherstellung des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrte die Antragstellerin wieder die Herabsetzung auf eine 0,8 Verfahrensgebühr. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

[10] “a) Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Antrags- oder Klagerücknahme der Antragsteller oder Kläger (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenden Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Die Kosten einer Schutzschrift zur Verteidigung gegen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird; dies gilt auch dann, wenn der Antrag nach Einreichung der Schutzschrift abgelehnt oder zurückgenommen wird (BGH, Beschl. v. 23.11.2006, GRUR 2007, 727 Tz. 15 = WRP 2007, 786 – Kosten der Schutzschrift II).

[11] b) Die Höhe der Gebühr richtet sich vorliegend nach Nr. 3100 und Nr. 3101 RVG VV. Die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 entsteht nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ermäßigt sich nach Nr. 3101 RVG VV auf eine 0,8-fache Gebühr, wenn der Auftrag sich erledigt, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat.

[12] Die Voraussetzungen der Ermäßigung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr der Nr. 3100 RVG VV liegen im Streitfall nicht vor. Die Schutzschrift der Antragsgegnerin enthielt bereits Sachvortrag i.S.d. Nr. 3101 RVG VV. Davon ist auszugehen, wenn die Schutzschrift Tatsachen- oder Rechtsausführungen zur Sache und nicht nur Verfahrensanträge enthält (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., 3101 VV Rn 13; Keller, in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl., VV Teil 3 Abschn. 1 Rn 24). Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 3101 RVG VV scheidet dann aus (OLG Nürnberg NJW-RR 2005, 941; OLG Düsseldorf AGS 2006, 489; OLG München AGS 2007, 557; Hartmann, a.a.O., 3101 VV Rn 13; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl., Anh. II Rn 127; Bischof, in: Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 27; a.A. OLG Hamburg MDR 2005, 1196; OLG Frankfurt OLG-Rep 2006, 793; N. Schneider, in: Gebauer/Schneider, RVG, 3. Aufl., § 11 Rn 79; Keller, in: Riedel/Sußbauer, a.a.O., VV Teil 3 Abschn. 1 Rn 26).

[13] aa) Unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entsprach es allerdings der ganz überwiegenden Meinung, dass der Gebührenanspruch nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine halbe Gebühr umfasste, wenn der Auftrag zu einem Zeitpunkt endete, zu dem der Rechtsanwalt lediglich eine Schutzschrift bei Gericht eingereicht hatte. Die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge waren keine Sachanträge i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2003, GRUR 2003, 456 = WRP 2003, 516 – Kosten der Schutzschrift I, m.w.N.).

[14] bb) Mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist gegenüber der Rechtslage unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung eine Erweiterung des Katalogs in Nr. 3101 RVG VV, bei dem eine Ermäßigung des Gebührentatbestandes bei Auftragsbeendigung ausscheidet, um Schriftsätze, die Sachvortrag enthalten, eingeführt worden. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen...

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