“ … 1. Die Beklagte ist nicht leistungsfrei wegen Obliegenheitsverletzung durch Falschbeantwortung der Frage 13 (§ 6 Abs. 3 VVG).

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, wie die Frage auszulegen ist und ob sie sachdienlich (vgl. Nr. 7.2 der vereinbarten AUB) ist.

aa) Die Beklagte hat vor dem Senat die Auffassung vertreten, ein Versicherungsnehmer habe auf die gestellte Frage alle früheren und aktuellen Krankheiten oder Gebrechen anzugeben. Dies gelte, auch wenn in dem Formular dort nur eine Zeile Platz gelassen ist. Der Versicherungsnehmer sei durch einen der fett gedruckten Hinweise am Ende des Formulars hinreichend gewarnt, wo es heißt: “Reicht der vorgesehene Raum für die Beantwortung der Fragen nicht aus, so sind diese Angaben auf einem besonderen Blatt zu vermerken’. Auch die Nichtangabe eines Schnupfens in Kindertagen sei objektiv falsch; freilich werde sich die Beklagte in einem solchen Fall nicht auf eine Obliegenheitsverletzung berufen. Zu einer engeren Fassung der Frage habe sich die Beklagte nicht entschließen können, da sie zum einen dem Versicherungsnehmer keine Wertung habe überlassen wollen und sie zum anderen auch Kenntnis über lange zurückliegende – erhebliche – Erkrankungen erlangen möchte.

So wird aber der Versicherungsnehmer, der Ansprüche nach einem Unfall geltend macht und nun in einem Formular “Unfallbericht’ gefragt wird “Bestehen oder bestanden unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls Krankheiten oder Gebrechen? ggf. welche, Name(n) und Anschrift(en) behandelnder Ärzte’, diese Frage nicht verstehen, und so kann sie daher nach Auffassung des Senats nicht ausgelegt werden. Zum einen wird der Versicherungsnehmer nicht auf den Gedanken kommen, dass die Beklagte etwas verlangt, was jedenfalls einem auch nur etwas älteren Versicherungsnehmer in vielen Fällen ohne weiteres gar nicht möglich sein wird, nämlich eine vollständige Auflistung aller früheren Krankheiten mit Namen und Anschriften von Ärzten. Zum anderen wird der Versicherungsnehmer, welcher die von der Beklagten angestellten Erwägungen zu den eventuellen Nachteilen einer engeren Fragestellung nicht kennt, nicht annehmen, dass die Beklagte auch nach solchen früheren Krankheiten fragt, welche für die Entscheidung der Beklagten bei jedweder Betrachtung keinerlei Bedeutung haben.

(Im Übrigen vermag der Senat diesen Erwägungen der Beklagten so auch nicht zu folgen: Viele Formulare für den Abschluss von Versicherungsverträgen enthalten durchaus überzeugende, differenzierte Fragen – zum Beispiel nach allen Krankheiten und ärztlichen Konsultationen der letzten drei Jahre und nach bestimmten, näher bezeichneten Krankheiten aus einem längeren Zeitraum. Ebenso steht es der Beklagten frei, nach einer ersten Unfallmeldung je nach den konkret beklagten Unfallfolgen spezifisch nach bestimmten Vorerkrankungen zu fragen.)

bb) Möglicherweise muss die Frage dahin ausgelegt werden, dass nach Krankheiten oder Gebrechen gefragt ist, welche denkbarerweise bei Entstehung und/oder Auswirkung der Unfallfolgen eine Rolle spielen. Denkbar ist auch, dass der Versicherungsnehmer sich nur nach Krankheiten oder Gebrechen im Zeitpunkt des Unfalls und in der Folgezeit gefragt sehen muss. Denn darauf könnte die Verwendung der Worte “unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls’ hindeuten, welche sich nach ihrer Stellung im S. nicht nur auf das “Bestehen’, sondern wohl auch auf das “bestanden’ beziehen. Eine Frage “Bestanden unabhängig von den Folgen des jetzigen Unfalls Krankheiten oder Gebrechen?’ wird der Versicherungsnehmer leicht auf den Unfallzeitpunkt beziehen.

Dies braucht indes ebenso wie die Frage nach der Sachdienlichkeit der Frage vorliegend nicht näher erörtert zu werden. Der Senat geht zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass die Frage sachdienlich ist und auch nach den vorstehenden Interpretationsansätzen objektiv eine Falschbeantwortung vorliegt. Stellt man darauf ab, dass nach denkbarerweise relevanten Krankheiten gefragt war, so hätte der Kläger jedenfalls die Rückenbeschwerden angeben müssen. Stellt man darauf ab, dass nur nach Krankheiten gefragt war, die im Unfallzeitpunkt oder danach bestanden, hätte er jedenfalls die Depression angeben müssen.

b) Der Senat ist nach Anhörung des Klägers – anders als das LG – jedenfalls davon überzeugt, dass dieser nicht vorsätzlich eine Falschangabe machte (§ 6 Abs. 3 S. 1 Fall 1 VVG).

Der Kläger hat vor dem Senat erklärt, dass er sich nur danach gefragt fühlte, ob er zum Zeitpunkt des Unfalls Beschwerden hatte oder ob im Bereich des erlittenen Wirbelbruchs früher Krankheiten aufgetreten waren. Beides konnte der Kläger verneinen. Der Senat erachtet diese Einlassung – auch auf Grund des persönlichen Eindrucks, welchen der Kläger gemacht hat – für glaubhaft. Wie soeben unter a erörtert, ist es schwierig, zu erfassen, welche Antwort die Beklagte verlangte. Es liegt daher durchaus nahe, dass der Kläger die Frage ganz im Hinblick auf die erlittene, schwere Unfallverletzung, also den Bruch eines Lendenwirbelkörpers erf...

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