Grundsätze der Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO

Die Entscheidung des BGH liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BGH, wonach materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche, die nicht Gegenstand eines Vergleichs- oder Verzichtsvertrags der Prozessparteien sind, bei der nach Klagerücknahme zu erlassenden Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 2 Halbsatz 2 ZPO nicht zu berücksichtigen sind. Das heißt, dass dem Kläger, der seine Klage zurückgenommen hat, grundsätzlich auch dann die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, wenn er gegen den Beklagten oder einen von ihnen einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch hat.

Im Fall des BGH hat die Klägerin hat somit aufgrund der Kostenentscheidung des AG Grevenbroich die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, obwohl jedenfalls nach ihrer Auffassung die Beklagte zu 4. die Erhebung der unzulässigen Klage gegen alle Beklagten veranlasst hat, weil die Beklagte zu 4. gegenüber der Klägerin vorgerichtlich wie eine Vermieterin aufgetreten war.

Schadensersatzklage

Da dieser Umstand nicht bei Erlass der zu ihrem Nachteil ergehenden Kostenentscheidung berücksichtigt werden kann, ist die Klägerin darauf verwiesen, ihre materiell-rechtlichen Kostenerstattungsansprüche gegen die Beklagte zu 4. aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) in einem gesonderten Rechtsstreit geltend zu machen, soweit sie sich hiervon Erfolg verspricht. Zu dem Schaden gehören die von der Klägerin den Beklagten aufgrund der zu ihren Lasten ergangenen Kostenentscheidung zu erstattenden außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits. Demgegenüber gehören Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin nicht zum Schaden, weil sie aufgrund der uneingeschränkt bewilligten Prozesskostenhilfe gem. § 122 Abs. 1 ZPO von der Zahlung der Gerichtskosten und der Vergütung ihres eigenen Rechtsanwalts befreit ist.

Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren

Die Klägerin könnte zwar in dem von den Beklagten betriebenen Kostenfestsetzungsverfahren mit ihrem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch aufrechnen. Dieser besteht aber nur gegen die Beklagte zu 4., so dass der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten zu 1-3 davon nicht berührt werden würde. Ferner bestehen aber noch weitere Hindernisse. Da das Kostenfestsetzungsverfahren auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten ist und aus diesem Grunde auf den Rechtspfleger bzw. den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen worden ist, ist in diesem Verfahren die Klärung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen nicht vorgesehen. Dies hat zur Folge, dass materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu berücksichtigen sind (BAG RVGreport 2015, 388 [Hansens] = zfs 2015, 584 m. Anm. Hansens = AGS 2015, 588 für eine Abgeltungsklausel; BGH RVGreport 2014, 318 [Ders.] = AGS 2014, 296 für eine Aufrechnung; BGH RVGreport 2010, 152 [Ders.] für die Anrechnung eines unterhaltsrechtlichen Prozesskostenvorschusses bei einer Kostenquotelung). Der Rechtspfleger hat deshalb derartige Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu prüfen.

Materiell-rechtliche Einwendungen sind ausnahmsweise nur dann zu berücksichtigen, wenn sie keinerlei Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen. Gleiches gilt, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des Einwandes unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Gerichtsakten ermittelt werden können. Nur in einem solchen Ausnahmefall sind materiell-rechtliche Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen und vom Rechtspfleger zu bescheiden (BAG und BGH, je a.a.O.). Im Fall des BGH liegen die erstgenannten Voraussetzungen nicht vor. Und die Beklagten werden kaum den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch zugestehen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sollte gleichwohl schon aus Haftungsgründen im Kostenfestsetzungsverfahren mit einem Gegenanspruch der Mandantin aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aufrechnen, auch wenn diesem Vorgehen kaum Aussicht auf Erfolg beschieden ist.

VorsRiLG a. D. Heinz Hansens, Berlin

zfs 6/2022, S. 340 - 343

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