Liebe/r Leser*in,

es ist Ihnen nicht entgangen: Ich habe mich bei der Auswahl des Titels dieses Editorials, zugegeben, ohne Rücksprache, bei meinem Kollegen Claudio La Malfa bedient, der unter dieser Überschrift bereits in der 4. Ausgabe im April zu den Herausforderungen des Legal Tech und den Chancen referierte, die sich hieraus für den/die Anw(a/ä)lt*in ergeben.

Es soll aber heute nicht um die modernen Tools der Juristen, sondern vielmehr um das klassische Werkzeug gehen, dass Sie, liebe/r Kollege*in, liebe/r Leser*in als Jurist*in an der Hand haben: Die Sprache.

Das Recht baut einzig und allein auf unserer Sprache auf. Gesetze sind in unserer Sprache verfasst, enthalten auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe, also Begriffe, die durch Sprache ausgefüllt und umschrieben werden müssen; der Wortlaut, also die in lesbare Form gegossene Sprache, ist maßgebliches Auslegungskriterium.

Die Sprache ist ein mächtiges Instrument. Wer sie beherrscht, wer sich ausdrücken kann, genießt Vorteile. Das war schon immer so. Was aber leider auch immer schon so war: Sprache kann beleidigend, diskriminierend, ja, feindlich sein.

Die Diskussion um eine sogenannte gendergerechte Sprache ist für die Sprachwissenschaftler nicht neu, wohl aber aktueller denn je. Sie wird, so lässt sich die Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung in der Augsburger Allgemeinen zitieren, teilweise wohl auch "ziemlich verbissen geführt (…)."

Was folgt hieraus für uns Juristen?

Nun, zunächst offenbar ein neues Betätigungsfeld: Jüngst flatterte einem großen deutschen Automobilhersteller die Klage eines Mitarbeiters (ja, einem Mann) ins Haus, der sich gegen den konzernweiten "Leitfaden für gendersensible Sprache" und den Umstand wendet, dass nun die männliche Ausdrucksform ins Hintertreffen gerät. Der nach dem Leitfaden vorgesehene Ausdruck "Kolleg_innen" (u.a.) ließe nämlich nur die weibliche Form lesbar erscheinen, die männliche Form des Wortes, also Kollegen, sehe die Richtlinie dabei aber nicht vor.

Liebe Kolleg_innen und Kolleg_en, liebe/r Leser*in*nen, auch in unserer täglichen Arbeit wird sich diese Frage künftig häufiger stellen. Wie gehen Juristen/innen mit dem Thema einer gendergerechten Sprache um? Ist wirklich eine umfangreiche Reform unserer Sprache, ein Umdenken, notwendig? Soll eine geschlechtliche Ausdrucksform unseren Sprachgebrauch dominieren? Und wenn ja, welche?

Die deutsche Sprache bedient sich derzeit des sogenannten generischen Maskulinums, einer sexusindifferenten, also geschlechtsneutralen Verwendung maskuliner Substantive und Pronomen, um damit überall dort, wo geschlechtsunabhängig Bezug auf Personen- oder Berufsbezeichnungen genommen wird, einheitlich zu sein. Zum Beispiel in Gesetzen.

Nach meiner Auffassung sind Einheitlichkeit und Einfachheit der Sprache hohe Güter. Aber eines ist auch klar: Sprache darf aus sich heraus nicht diskriminieren. Dort, wo es sich machen lässt, muss auf geschlechtliche und daraus folgend sprachliche Individualitäten Rücksicht genommen werden. Zu schwer machen sollten wir es uns dabei aber auch nicht. Wie intonieren Sie eigentlich das Sternchen?

Mit gutem Beispiel geht seit Jahren die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht voran: Das Mitteilungsblatt der ArGe trägt im jährlichen Wechsel den Namen "Der Verkehrsanwalt" bzw. "Die Verkehrsanwältin". Alternativ darf ich Sie, wenn es Ihnen in der täglichen Praxis auch zu kompliziert erscheint, Sternchen, Unterstriche, Klammern und Schrägstriche zu verwenden, auf die Stellungnahme des Rats für deutsche Rechtschreibung zu diesem Thema verweisen, in der es heißt: "Die weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form, im Plural oder in Passivkonstruktionen zu schreiben, wird der Erwartung geschlechtergerechter Schreibung derzeit am ehesten gerecht."

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel Freude mit dieser Juniausgabe der zfs!

Ihr

Autor: Jan Lukas Kemperdiek

RA Jan Lukas Kemperdiek, LL.M., FA für Medizin-, Verkehrs- und Versicherungsrecht, Hagen

zfs 6/2021, S. 301

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