"… I."

[14] Die Revision der Bekl. hat Erfolg. Sie führt, soweit das BG zum Nachteil der Bekl. erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG.

[15] 1. Mit der Begründung des BG kann ein Kaufpreiserstattungsanspruch des Kl. gegen die Bekl. wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB nicht bejaht werden. Das BG hat nicht rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) der Bekl. die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat.

[16] a) Die bisher getroffenen Feststellungen tragen bereits nicht die Annahme des BG, ein verfassungsmäßiger Vertreter der Bekl. habe durch das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem Dieselmotor der Baureihe EA189 sittenwidrig gehandelt.

[17] aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn 29; v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn 15; v. 7.5.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn 8; v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn 16 m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (Senatsurt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn 29; v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn 15; v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn 16 m.w.N.). Insb. bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (Senatsurt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn 29; v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn 15; v. 7.5.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn 8 m.w.N.).

[18] Ob das Verhalten des Anspruchsgegners sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des Revisionsgerichts unterliegt (Senatsurt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn 14; v. 7.5.2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn 8; v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn 15 m.w.N.).

[19] bb) Nach diesen Grundsätzen geht das BG zwar zu Recht davon aus, dass ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig handelt, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. Senatsurt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn 16-27). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (Senatsurt. v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19 ZIP 2020, 1179 Ls. 1 und Rn 23, 25).

[20] Soweit das BG weiter annimmt, die Bekl. habe den Schaden des Kl. in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt, als besonders verwerflich sei es dabei anzusehen, dass im eingebauten Motor nur für das Zulassungsverfahren ein Betriebsmodus entwickelt und heimlich eingebaut worden sei, dessen alleiniger Zweck gerade in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestanden habe, fehlt es aber an tragfähigen Feststellungen, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit unter diesem Gesichtspunkt gegenüber der Bekl. rechtfertigen. Das BG hat insb. nicht festgestellt, dass nicht nur bei der Muttergesellschaft, sondern auch bei der Bekl. eine solche auf arglistige Täuschung des KBA und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Bekl. handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren.

[21] Allerdings kommt ein sittenwidriges Vorgehen der Bekl. auch dann in Betracht, wenn die für die Bekl. handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KB...

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