AKB Ziff. 2.4; VVG § 59

Leitsatz

1.

Die Erklärung eines Versicherungsmaklers, der Versicherungsnehmer genieße umfassenden Schutz gegen Unfälle in der Türkei, führt nicht zu einer Deckungspflicht des Versicherers.

2.

Sind einem Versicherungsnehmer AKB, die eine Deckungspflicht für den nichteuropäischen Teil der Türkei ausschließen, nicht übersandt worden, ist das im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu korrigieren, dass die Musterbedingungen gelten und keine Deckung besteht.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Landshut, Urt. v. 27.1.2020 – 73 O 2539/19

Sachverhalt

Der Kl. begehrt von der Bekl. Leistungen aus einer Kraftfahrzeug-Vollkaskoversicherung. Am 15.8.2018 gegen 14:10 Uhr kam es in A. (Türkei) zu einem Verkehrsunfall, bei welchem das Fahrzeug des Kl. versichert war. Auf eine Schadensmeldung verweigerte die Bekl. jegliche Leistung, weil im Rahmen der Vollkaskoversicherung nur auf dem geografischen europäischen Teil der Türkei Versicherungsschutz bestehe. Der Kl. behauptet, bei Abschluss des Vertrages sei ihm versichert worden, dass die Vollkaskoversicherung in der gesamten Türkei Gültigkeit habe.

2 Aus den Gründen:

"… Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kl. hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 9.200,00 EUR gegen die Bekl.

1. Der Kl. hat keinen vertraglichen Anspruch auf Leistung.

Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich im asiatischen Teil der Türkei, auf welchen sich der Versicherungsschutz der Vollkaskoversicherung jedoch nicht erstreckte (Ziffer 2.4 der AKB).

2. Eine hiervon abweichende Individualvereinbarung hat der Kl. nicht nachweisen können. Vielmehr ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, bzw. seiner eigenen Einlassung im Termin vom 27.1.2020, dass eine solche nicht existiert.

Der Kl. hat ausgeführt, den gegenständlichen Versicherungsvertrag über den Versicherungsmakler K. abgeschlossen zu haben, der für die X AG arbeite. Dieser habe ihm ggü. geäußert, dass er vollumfassenden Schutz in der Türkei genieße. Dies habe ausdrücklich auch die Vollkaskoversicherung umfasst. Daraus ergibt sich jedoch bereits keine Individualvereinbarung zwischen dem Kl. und der Bekl., welche den AKB vorginge. Denn ausweislich des Parteivortrags handelte Herr K. als Versicherungsmakler. Versicherungsvermittler i.S.d. § 59 Abs. 1 VVG werden jedoch gerade nicht für den VR tätig, sondern werden mit der Vermittlung durch den potentiellen VN beauftragt. Der Versicherungsvermittler steht im Verhältnis zum VR auf Seiten des Kunden und nimmt dessen Interessen wahr (BT-Drucks 16/1935 S. 22 f.). Anders als einem Versicherungsvertreter sind Aus- und Zusagen des Versicherungsmakler dem VR grds. nicht zuzurechnen. Dem hat der Gesetzgeber mit einem eigenen Haftungssystem in §§ 60 ff. VVG Rechnung getragen.

3. An diesem Ergebnis ändert auch die klägerische Behauptung nichts, dem Kl. wären zu keinem Zeitpunkt die AKB der Bekl. übersendet worden. Denn auf die Übersendung kommt es nicht allein an. Erforderlich ist, dass der Vertragspartner auf die AKB hingewiesen wurde und die Möglichkeit hatte, diese zur Kenntnis zu nehmen. Dies hat der Kl. schon nicht bestritten. Insbesondere hat der Kl. in seiner informatorischen Anhörung ausgeführt, dass er den von Herrn K. vorausgefüllten Antrag nur unterschrieben, nicht aber gelesen hat.

Darauf kommt es im Ergebnis jedoch gar nicht an. Werden nämlich die AVB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, ist die entstehende Lücke gemäß § 306 Abs. 2 BGB, da es geeignetes materielles dispositives Recht nicht gibt, durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen. Die Voraussetzungen für eine solche Auslegung liegen vor, weil die ersatzlose Streichung der Bedingungen den Interessen der Beteiligten nicht angemessen Rechnung tragen würde. Da in den AVB auch die Hauptleistungspflichten, insbesondere das versicherte Risiko, umschrieben werden, ließe sich bei ihrem Wegfall oft noch nicht mal eine Einigung darüber konstruieren, was überhaupt versichert sein soll. Es bliebe nur ein leerer Vertrag zurück, der für sich betrachtet keinen Bestand haben könnte. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist dann einerseits zu beachten, dass sich der Verwender von AGB nicht auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Bedingungen berufen darf. Dies würde aber dazu führen, dass der VN das freie Wahlrecht hätte, ob er einzelne Klauseln als wirksam behandeln möchte oder eben nicht. Dies schränkt aber die Interessen des VR unangemessen ein. Denn ein solches Wahlrecht führt praktisch dazu, dass der VR das gesamte Risiko des VN versichern müsste, aber nur dann von ihm Prämien bekommen würde, wenn es tatsächlich zu einem Versicherungsfall kommt. Dies führt zu einer Äquivalenzstörung, die nicht alleine dem VR aufgebürdet werden darf. Es ist insb. zu beachten, dass im Rahmen von Versicherungsverträgen beide Parteien auf die Verwendung von AVB angewiesen sind. Zudem ist jedem VN auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB ohne Weiteres klar, dass dem Vertrag irgendwelche AVB zugrunde liegen. Der VN wird bei verständiger Würdigung...

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