"… I. Das BG (…) hat (…) ausgeführt, der Kl. stehe ein Anspruch auf Ausgleich der von ihr aufgewandten Schadensersatzleistung gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 des litauischen Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (… KfZPflVG) zu. (…)

Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. KfZPflVG laute sinngemäß, dass ein VR, der Schadensersatz gezahlt habe, berechtigt sei, die Schadensersatzzahlungen von dem für den Schaden Verantwortlichen zurückzufordern, wenn letzterer das Fahrzeug unter Einfluss von Alkohol gefahren habe. Die Voraussetzungen des aus dieser Bestimmung folgenden Regressanspruches seien gegeben und inhaltlich nicht streitig.

Ein Verstoß gegen den “ordre public' liege nicht vor, auch wenn das litauische Recht für den Fahrer – anders als für den Halter – keine (abgestufte) Begrenzung des Rückgriffs kenne.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Allerdings hat das BG im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Berechtigung des von der Kl. erhobenen Anspruchs maßgeblich nach litauischem Recht zu beurteilen ist; soweit sie davon abhängt, ob und in welchem Umfang die Bekl. nach dem insofern gem. Art. 4 Abs. 1 Rom ll-VO anwendbaren deutschen Recht (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn 51 ff. m.w.N.) ggü. dem Unfallgegner haftet, steht ihre Einstandspflicht (§ 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB) außer Streit. Die Anwendbarkeit des litauischen Rechts auf das Schuldverhältnis zwischen der Kl. und der Bekl. ergibt sich aus Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB), der in Ausübung der Ermächtigung in Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom l-VO erlassen worden ist.

a) Wie das BG zutreffend erkannt hat, ist im Hinblick auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien der Anwendungsbereich der Rom l-VO, die im Unterschied zur Rom ll-VO vertragliche Schuldverhältnisse betrifft (vgl. hierzu allgemein EuGH VersR 2016, 797 Rn 43 ff. m.w.N.), eröffnet. Dabei kann im Streitfall offenbleiben, ob Grundlage des von der Kl. erhobenen Anspruchs ein gesetzlicher Übergang der Forderung des Unfallgegners gegen die Bekl. oder eine originär eigene Forderung der Kl. ist.

Im ersten Fall folgt die Anwendbarkeit der Rom l-VO aus Art. 19 Rom II-VO, der in Abgrenzung zu Art. 15 Rom I-VO aufgrund des außervertraglichen Charakters der Forderung des Unfallgegners gegen die Bekl. einschlägig ist. Die Vorschrift sieht vor, dass das für die Schadensersatzpflicht des Dritten, d.h. des Haftpflichtversicherers, gegenüber dem Geschädigten maßgebende Recht regelt, ob und in welchem Umfang ein Eintritt in die Rechte dieses Geschädigten möglich ist (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn 57); das von der Revision angeführte, das Verhältnis zwischen dem Unfallgegner und der Bekl. regelnde Recht (Recht des Schadensortes), ist insoweit nicht maßgeblich. Die genannte Verpflichtung der Kl. hat ihren Ursprung in dem zwischen ihr und der Fahrzeughalterin abgeschlossenen Versicherungsvertrag und ist deshalb als vertraglich im Sinne der Rom l-VO zu qualifizieren (vgl. EuGH a.a.O. Rn 54 ff.).

Nichts anderes ergibt sich im zweiten Fall. Zwar richtet sich ein originär eigener Regressanspruch des Rückgriffgläubigers nach verbreiteter Auffassung nicht nach Art. 19 Rom ll-VO (oder nach Art. 15 Rom I-VO), sondern nach dem Statut, welches das Verhältnis zwischen dem Rückgriffgläubiger und dem Rückgriffschuldner beherrscht (vgl. BeckOGK/Hübner, Rom ll-VO Art. 19 Rn 36 f. [Stand: 1.7.2019]; Kieninger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Rom I-VO Art. 15 Rn 5; …). Aber das Rückgriffverhältnis zwischen der Kl. und der Bekl. ist – anders als die Revisionserwiderung meint – ebenfalls als vertraglich zu qualifizieren. Wie die Verpflichtung der Kl., den Unfallgegner der Bekl. zu befriedigen, hat es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag (vgl. Generalanwalt beim EuGH, Schlussantrag v. 24.9.2015 – C 359/14, BeckRS 2016, 80140 Rn 62).

b) Knüpft die vertragliche Qualifizierung des Verhältnisses der Parteien danach an den Umstand an, dass es seinen Ursprung in dem Versicherungsvertrag hat, richtet sich das anwendbare Recht nach Art. 7 Rom l-VO (vgl. EuGH VersR 2016, 797 Rn 58, 62). Gem. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom l-VO, Art. 46d EGBGB unterliegt es litauischem Recht.

aa) Art. 7 Abs. 4 Buchst. b) Rom l-VO eröffnet den Mitgliedstaaten im Hinblick auf Versicherungsverträge über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt, die Möglichkeit zu bestimmen, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden ist (vgl. zum Charakter der Bestimmung BeckOGK/Lüttringhaus, Rom l-VO Art. 7 Rn 148 [Stand: 1.2.2020]; Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. RomTVO Art. 7 Rn 52; …). Von dieser Ermächtigung ist in Deutschland durch Art. 46d EGBGB (vormals Art. 46c EGBGB) Gebrauch gemacht worden (vgl. BT-Drucks 16/12104 S. 6, S. 10; 18/10822 S. 22, S. 99). Nach Art. 46d Abs. 1 EGBGB unterliegt ein Versicherungsvertrag über Risiken, für die ein Mitgliedstaat eine Versic...

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