ZPO § 130 § 520 Abs. 3 S. 1

Leitsatz

Ein elektronisches Dokument (E-Mail) wahrt nicht die für bestimmende Schriftsätze vorgeschriebene Schriftform.

BGH, Beschl. v. 4.12.2008 – IX ZB 41/08

Sachverhalt

Am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist ging bei dem Berufungsgericht um 23.55 Uhr eine E-Mail ein, die die Berufungsbegründung wiedergab. Die per Telefax übermittelte Berufungsbegründung ging am folgenden Tag kurz nach Mitternacht ein. Die Berufung wurde als unzulässig verworfen.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: [2] „… 1. Die Berufungsbegründung ist nach Ablauf der Frist der bis zum 16.1.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO beim Berufungsgericht eingegangen. …

[4] b) Die am 16.1.2008 um 23.55 Uhr beim Berufungsgericht eingegangene E-Mail stellte keinen “Schriftsatz’ dar, der in § 520 Abs. 3 S. 1 ZPO für die Berufungsbegründung zwingend vorgeschrieben ist. …

[6] bb) Eine E-Mail fällt nicht unter § 130 ZPO, sondern unter § 130a ZPO. Die E-Mail ist ein elektronisches Dokument, das aus der in einer elektronischen Datei enthaltenen Datenfolge besteht (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2008 – X ZB 8/08, BGHReport 2008, 1237 = BRAK 2008, 212 m. Anm. Grams = MDR 2008, 1176 = CR 2008, 741 = NJW 2008, 2649, 2650 Rn 10). Dass ein elektronisches Dokument die in § 130 ZPO vorausgesetzte Schriftform für vorbereitende und bestimmende Schriftsätze nicht wahrt, folgt bereits aus der Systematik des Gesetzes. Die Vorschrift des § 130a ZPO wäre nicht erforderlich, wenn das elektronische Dokument bereits von § 130 ZPO erfasst würde.

[7] Das elektronische Dokument ist eingereicht, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts es aufgezeichnet hat (§ 130a Abs. 3 ZPO). Es wahrt jedoch nur dann die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist (§ 130a Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Landesregierungen bestimmen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können, sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form (§ 130a Abs. 2 S. 1 ZPO). Die niedersächsische Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz (ERVVOJust) vom 8.7.2006 (Nds. GVBl. 2006, 247) betrifft nicht das Berufungsgericht. Als elektronisches Dokument war die E-Mail folglich nicht geeignet, die für eine Berufungsbegründung vorgeschriebene Schriftform zu wahren. …

[9] … Wegen der “Flüchtigkeit’ und spurenlos möglichen Manipulierbarkeit eines elektronischen Dokuments hat der Gesetzgeber die qualifizierte elektronische Signatur des Absenders vorgeschrieben (§ 130a Abs. 1 S. 2 ZPO), um so dem Dokument eine dem Papierdokument vergleichbare dauerhafte Fassung zu verleihen (“Perpetuierungsfunktion’, vgl. BT-Drucks 14/4987, 24). Eine E-Mail, welche diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht geeignet, die gesetzliche Frist für einen bestimmenden Schriftsatz zu wahren.

[10] dd) Der Beschluss des BGH vom 15.7.2008 (X ZB 8/08, NJW 2008, 2649, 2650) enthält nur scheinbar eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass elektronische Dokumente die Schriftform nicht wahren. In dem Fall, welcher der Entscheidung zu Grunde lag, war als Anhang zu einer elektronischen Nachricht eine Bilddatei übermittelt worden, welche die vollständige Berufungsbegründung einschließlich der eigenhändigen Unterschrift des beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalts enthielt; die Bilddatei war noch vor Fristablauf ausgedruckt worden. Der Ausdruck – nicht die Bilddatei – stellte ein schriftliches Dokument dar, das nur elektronisch übermittelt worden war. Das Unterschriftserfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO war gewahrt, weil das ausgedruckte Dokument mit der in Kopie wiedergegebenen Unterschrift des Prozessbevollmächtigten abschloss (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2008, a.a.O. Rn 8, 13). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die elektronische Übermittlung des Abbildes eines eigenhändig unterschriebenen Schriftsatzes, sondern schlicht um ein elektronisches Dokument. Eine schriftliche Berufungsbegründung lag bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist damit nicht vor.

[11] 2. Den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend zurückgewiesen. … “

3 Anmerkung

Mit dem Hinweis des BGH auf seinen Beschl. v. 15.7.2008 – X ZB 8/08 (NJW 2008, 2649, 2650 = Report 2008, 1237) weist der BGH auf einen Weg hin, wie die Berufungsbegründungsfrist hätte gewahrt werden können: Die unterschriebene Berufungsbegründung hätte eingescannt und als Anhang zur E-Mail übermittelt werden müssen. Zwar lasse das Gesetz die Wiedergabe der Unterschrift nur für den Fall der Übermittlung durch einen Telefaxdienst ausdrücklich zu. Nehme das Gericht indessen einen auf andere Weise elektronisch übermittelten Schriftsatz entgegen, behindere es den Zugang zu Gericht in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise, wenn es die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie in diesem Falle nicht für genügend erachte (vgl. auch BVerfGE 41, 323, 326 f.; BVerf...

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