Einführung

Jährlich werden gut 150.000[2] deutsche Staatsbürger im Ausland in einem Verkehrsunfall verwickelt. Während nach einer früheren strengen Auffassung in der Rechtsprechung i.d.R. Ansprüche gegenüber dem gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer notfalls bei einem ausländischen Gericht verfolgt werden mussten, hat sich mit der Entscheidung des EUGH vom 13.12.2007[3] nunmehr die Möglichkeit eröffnet, den gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, der seinen Firmensitz innerhalb der EU hat, am Wohnsitz des Geschädigten in Deutschland zu verklagen. Unabhängig davon wird i.d.R. das im Ausland geltende Straßenverkehrsrecht zur sachlichen Entscheidung des Falles zur Geltung kommen, so dass in der anwaltlichen Beratung zumindest dessen Grundzüge bei der Betreuung eines solchen Falles notwendig werden können. Diese neue EUGH-Rechtsprechung, der bereits ein entsprechendes Urteil des BGH vorausgegangen ist, wird zum Anlass genommen, mit diesem Artikel die Möglichkeiten der Anwendung materiellen deutschen Rechts und einer Geltendmachung von Ansprüchen vor der deutschen Gerichtsbarkeit bei einem Auslandsunfall darzustellen.

[2] Angabe des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GdV), Stand Mai 2008.
[3] EUGH zfs 2008, 139; Vorabentscheidung vom 13.12.2007 – Az. C 463/06.

I. Das sachliche anzuwendende Recht

Erleidet ein deutscher Staatsbürger im Ausland einen Verkehrsunfall ist im Hinblick auf das anzuwendende sachliche Recht wie folgt zu unterscheiden:

1. Tatortprinzip (Art. 40 Abs. 1 EGBGB): Ausländisches Recht

Ansprüche des geschädigten deutschen Staatsbürgers aus unerlaubter Handlung oder der Gefährdungshaftung unterliegen nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB grds. dem Recht des Staates, in dem der Schädiger gehandelt hat bzw. der schädigende Erfolg eingetreten ist.

 
Praxis-Beispiel

In Paris fährt ein dortiger Einwohner auf das Fahrzeug von einem deutschen Staatsbürger auf. Anzuwenden ist das französische Recht bei der Beurteilung der materiellen Rechtslage, da sowohl die schädigende Handlung als auch der Erfolg in Paris eingetreten sind.

2. Unfall unter in Deutschland wohnenden Personen: Deutsches Recht (Art. 40 Abs. 2 EGBGB)

Auch wenn der Verkehrsunfall im Ausland stattgefunden hat, kann ausnahmsweise Deutsches Recht auf die Abwicklung des Schadensfalls anwendbar sein. Dies ist nach dem für Auslandsunfälle seit 1999 geltenden Art. 40 Abs. 2 EGBGB dann der Fall, wenn beide Unfallbeteiligten ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Schadensereignisses in Deutschland hatten.[4] Demzufolge ist es für die Anwendung deutschen Schadensersatzrechtes in diesen Fällen nicht erforderlich, dass die Fahrzeuge beider Unfallbeteiligten in Deutschland versichert sind.

 
Praxis-Beispiel

Der in Deutschland lebende A wird mit seinem Fahrzeug in Breslau (Polen) in einen Verkehrsunfall mit einem polnischen Staatsbürger verwickelt, der seinen ständigen Wohnsitz zum Zeitpunkt des Unfalls auf Grund seiner Arbeit in Deutschland hat. Der gemeinsame Wohnsitz in Deutschland begründet die Anwendbarkeit des Deutschen Rechts.

[4] BGH NJW 195, 1285; BGH NJW 1989, 3095; BayObLG VersR 1986, 299; OLG Hamm NZV 2001, 514 = VersR 2002, 318 für den (Ski) Unfall zweier Deutscher in Italien.

3. Engere Verbindung zu Deutschem Recht (Art. 41 Abs. 1 EGBGB)

In besonderen Ausnahmefällen kann auch bei einem Auslandsunfall von Unfallbeteiligten, die nicht ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben, deutsches Recht Anwendung finden. Nach Art. 41 Abs. 1 EGBGB ist dies der Fall, wenn der Verkehrsunfall mit dem deutschen Recht eine engere Verbindung aufweist als mit dem Recht, welches am Unfallort gilt. Eine derartige enge Verbindung ist gegeben, wenn erstens der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat und zweitens beide unfallbeteiligten Kfz[5] oder zumindest das Fahrzeug des Schädigers bei einem deutschen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer versichert sind. In diesem Fall ist die Versicherung gerade auf den Standard des deutschen Rechts zugeschnitten und dem Geschädigten, der seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland aufweist, entsteht durch die Anwendung des deutschen Rechtes kein Nachteil.

 
Praxis-Beispiel

Der ungarische Staatsangehörige U, der seinen festen Wohnsitz in Hamburg hat, wird in einen Verkehrsunfall in Budapest verwickelt, den der deutsche Staatsbürger D verursacht, der seit über einem Jahr in der Stadt arbeitet und sein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug benutzt, mit dem er auch den Unfall verursacht. Art. 40 EGBGB kommt vorliegend nicht zur Anwendung, da der D als Schädiger seinen ständigen Wohnsitz zur Zeit des Unfalls nicht mehr in Deutschland hatte. Nach Art. 41 EGBGB wird aber trotzdem die Anwendung deutschen Rechts geboten sein, da das Schädigerfahrzeug in Deutschland versichert ist und der geschädigte ausländische Staatsbürger zur Zeit des Unfalls seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.

[5] LG Berlin NJW-RR 2002, 1107; BGH NJW 1989, 3095 und ebenso BayObLG VersR 1991, 1202 (jeweils beide Pkw in D zugelassen; zudem beide Parteien in D wohnhaft).

4. Vereinbartes Recht (§ 42 EGBGB)

Gem. Art. 42 EGBGB können die Parteien auch nach dem Unfall vereinbaren, welches sachliche Recht zur Anwendung gelangen soll. Diese Vereinbarung geht den Vorschriften der Art. 40 ff. EGBGB vor.

II. Die Schadensabwicklung

Während früher die Reguli...

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