Bezogen auf wiederholte Verstöße hatte sich das OVG Lüneburg im Jahr 2006[8] geäußert, als es um zwei Verstöße ging. Danach können sich Zweifel an der charakterlichen Eignung zum Führen eines Kfz aus der erheblichen oder wiederholten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ergeben. Die FE-Behörde kann in einem solchen Fall gem. § 11 Abs. 3 1 Nr. 4 FeV die Beibringung eines mpu-Gutachtens anordnen, auch wenn die Verkehrsverstöße mit (nur) sieben Punkten im VZR eingetragen sind und deshalb Maßnahmen nach dem Punktsystem des § 4 Abs. 3 (noch) nicht ergriffen werden können. Diese Entscheidung ist vor 2014 ergangen. Bei sieben Punkten waren noch keine Maßnahmen der FE-Behörde zum damaligen Zeitpunkt notwendig. Zum Verhältnis zwischen § 4 Abs. 1 StVG und § 11 FeV (§ 3 StVG) führt das Gericht aus: "… Allerdings findet das Punktsystem gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG keine Anwendung, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, ergibt. Hierzu hat der Senat in seinem von den Beteiligten zitierten Beschl. v. 3.12.1999 (12 M 4307/99, DAR 2000, 133) wie folgt ausgeführt: "… Ist ein derart hoher Punktestand nicht zu Lasten des Fahrerlaubnisinhabers eingetragen (in dem Fall keine 18 Punkte, heute keine acht Punkte, der Verf.), so schließt dies zwar die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht aus, weil die Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG auch außerhalb des sog. Punktesystems insbesondere nach § 3 Abs. 1 StVG eine Fahrerlaubnisentziehung verfügen kann, sie ist in diesem Falle aber gehalten, die Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu würdigen, wenn sie außerhalb des sog. Punktesystems zu einer Entziehung schreiten will. Dabei können auch (Verkehrs-)Ordnungswidrigkeiten, selbst wenn diesen für sich genommen wie etwa Verstöße gegen Parkvorschriften nur geringes Gewicht beizumessen ist, werden sie beharrlich und häufig begangen, (ausnahmsweise) in besonders krassen Fällen die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Mängel oder zumindest die Beibringung eines Eignungsgutachtens wegen (begründeter) Zweifel an der charakterlichen Eignung des Fahrerlaubnisinhabers rechtfertigen, weil bei dieser besonderen Fallgestaltung auf charakterliche Mängel, die sich in der beharrlichen Missachtung der Rechtsordnung (Verkehrsvorschriften) geäußert haben, geschlossen werden kann …"

Wieder äußerte sich das OVG Lüneburg[9] einige Jahre später. Hier ging es allerdings um mehrere Verstöße, die in Tateinheit begangen wurden. "… Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Antragsteller sich einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h, tateinheitlich mit einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 84 km/h, tateinheitlich mit einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 61 km/h, tateinheitlich mit einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 57 km/h sowie tateinheitlich mit einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit durch Überholen, obgleich nicht übersehen werden konnte, dass während des Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen war, schuldig gemacht … ." Das Gericht begründet hier den rechtmäßigen Entzug der Fahrerlaubnis auch damit: "… Nach der – vom Verwaltungsgericht zitierten – Rechtsprechung des Senats (…) kann im Einzelfall auch außerhalb des Punktsystems des § 4 Abs. 3 StVG die Entziehung der Fahrerlaubnis oder zumindest die Beibringung eines Eignungsgutachtens gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV verfügt werden (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG), wenn ein Fahrerlaubnisinhaber beispielsweise durch die beharrliche und häufige Begehung von – auch für sich gesehen nicht gewichtigen – Verkehrszuwiderhandlungen oder aber durch einen einzelnen erheblichen Verkehrsverstoß verkehrsauffällig geworden ist und sich aus einem derartigen Verhalten Fahreignungsmängel oder zumindest -bedenken in charakterlicher Hinsicht ableiten lassen. An dem Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls bestehen hier keine Zweifel.

Das VG München[10] äußerte sich bei drei Verstößen in 9 Monaten, einmal i.g.0. 43 km/h zu schnell, und führt aus: "… Nachdem das Landratsamt von den Geschwindigkeitsüberschreitungen Kenntnis erlangt hatte, hat es zur Klärung von Eignungszweifeln die Vorlage eines medizinisch-psychologisches Gutachtens angefordert. Hierzu war es gemäß § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 3 Nr. 4 FeV befugt. Danach kann die Vorlage eines derartigen Gutachtens zu Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Der Antragsteller hat...

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