[…] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Die Rechtsbeschwerde hat – vorläufigen – Erfolg; sie ist begründet und führt auf die Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel.

Das angefochtene hält materiell-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage fehlt. Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts sind allein die schriftlichen Urteilsgründe, wobei das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen ist (vgl. OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2016, 287).

Die richterliche Unterschrift unter dem angefochtenen Urteil des AG Brandenburg an der Havel vom 8.8.2022 genügt nicht den Anforderungen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Unterschrift der handschriftlich angebrachte bürgerliche Name ist, wobei der Schriftzug zwar nicht lesbar sein, aber doch noch als "Schriftzug" – ein aus Buchstaben bestehendes Gebilde – erkennbar sein muss. Bloße Striche oder geometrische Figuren genügen nicht. Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dem ausgeschriebenen Namen jedenfalls in der Weise vorhanden sein, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, dessen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. BGHSt 12, 317; OLG Oldenburg MDR 1988, 253; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.3.2012 – (2 B) 53 Ss-OWi 37/12 (30/12)).

Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich zudem aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Die Unterschrift soll gewährleisten, dass das Schriftstück auch tatsächlich vom Unterzeichner herrührt. Deshalb reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen zu versehen (vgl. statt vieler: BGH NJW 1985, 1227, BGH NJW 1997, 3380, 3381; OLG Köln NStZ-RR 2011, 348, 349; BayObLG NStZ-RR 2003, 305, 306; OLG Oldenburg NStZ 1988, 145). Der BGH hat ergänzend – im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz – darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen kein Zweifel an der Urheberschaft bestünde, ein "großzügiger Maßstab" anzulegen sei (BGH NJW 1997, 3380, 3381; ebenso BGH NJW 2000, 607). Diese Grundsätze gelten auch für die Unterzeichnung eines Urteils durch den Bußgeldrichter.

Die hier zu beurteilende Unterschrift ist – auch unter Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes – nicht ausreichend, um von einer wirksamen Unterzeichnung gemäß § 275 Abs. 2 S. 1 StPO auszugehen. Die schriftlichen Urteilsgründe sind lediglich mit einem handschriftlich angebrachten Zeichen versehen, das Ähnlichkeit mit einem schmalen "Q" aufweist. Eine Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder einer Buchstabenfolge aus dem Namen der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts ist nicht erkennbar. Der darunter maschinenschriftlich gedruckte Name der Richterin vermag die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung des Urteils nicht zu ersetzen.

zfs 5/2023, S. 289 - 290

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