"… III."

Das Urt. hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die vom AG getroffenen Feststellungen zur Verantwortlichkeit des Betr. nicht ausreichend sind.

Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatgerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm dabei ein Fehler unterlaufen ist. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2016 – 2 StR 275/16). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage beruhen (BGH, Beschl. v. 30.5.2018 – 2 StR 141/18, NStZ 2019, 594; BGH, Urt. v. 13.7.2016 – 1 StR 94/16) und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen müssen sich nicht etwa lediglich als eine Annahme oder als bloße Vermutung erweisen, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch möglicherweise schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermögen (Senat, Beschl. v. 14.2.2020 – 3 Ws (B) 6/20).

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung nicht in jeder Hinsicht gerecht. Sie bleibt hinsichtlich der Überzeugung von der Verantwortlichkeit des Betr. lückenhaft und begründet derzeit nicht mehr als einen – wenn auch erheblichen – Verdacht.

Die Überzeugung des Gerichts von der Verantwortlichkeit des Betr. und dessen vorsätzlicher Begehung der Ordnungswidrigkeit ergibt sich weder aus der den Vorwurf bestreitenden Einlassung des Betr. noch aus den Bekundungen der Zeugen noch aus der Gesamtheit der Urteilsgründe. Der Senat wird nicht in die Lage versetzt, die Wertung des Gerichts nachzuvollziehen.

Den in den Urteilsgründen dargestellten Bekundungen der Zeugen sind die dem Betr. zugeschriebenen Handlungen der Mängelbeseitigung und seiner Kenntnis zu den am 15.1.2019 festgestellten Mängeln nicht zu entnehmen. Zwar ist es denkbar, dass das Gericht aufgrund der Schilderung der “Vorgeschichte' durch die Zeugen auch auf diese Feststellungen geschlossen hat, aber aus den weiteren Urteilsdarlegungen erscheint es naheliegender, dass mit der “Vorgeschichte' lediglich die Angaben der Zeugen zur Vorkontrolle vor Weihnachten 2018 gemeint war, bei der sie aber nach den Urteilsgründen keinen Verantwortlichen auf dem Gelände angetroffen haben. Die Bekundungen ergeben des Weiteren nicht, ob und in welcher Funktion die Zeugen mit dem Betr. in der Zeit zwischen seinem Arbeitsbeginn am 1.6.2018 bis zur verfahrensgegenständlichen Kontrolle am 15.1.2019 Kontakt hatten, was dem Gericht Rückschlüsse auf seine tatsächliche Leitungsfunktion für die Niederlassung erlaubt hätte. Offensichtlich fußen die gerichtlichen Schlussfolgerungen auf der Beschäftigung des Betr. als “Betriebsleiter'. Aber allein die Bezeichnung “Betriebsleiter' ist nicht entscheidend (vgl. Gürtler in Göhler OWiG, 17. Aufl. § 9 Rn 19). Auch wenn die Bezeichnung als Indiz gewertet werden kann, bedarf es dennoch ausreichender Feststellungen dazu, ob dem Betr. die Leitung und nicht nur die Aufsicht des Betriebes verantwortlich übertragen worden ist und er dementsprechend auch tatsächlich selbstständig anstelle des Betriebsinhabers gehandelt hat (Rogall in KK OWiG, 5. Aufl. § 9 Rn 84). Diese sind dem Urt. auch nicht unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Urteilsgründe zu entnehmen. Auch wenn es nahe liegt, dass der Betr. verantwortlich für die verfahrensgegenständliche vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeit ist, besteht derzeit nach den Urteilsgründen nicht mehr als ein erheblicher Verdacht.

Auf diesem Mangel beruht das Urt. Der Senat hebt daher das Urt. auf und verweist das Verfahren nach § 79 Abs. 6 OWiG an das AG – auch wegen der Kosten der Rechtsbeschwerde – zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Für die neue Hauptverhandlung merkt der Senat an, dass die Schuldform bei einer Ordnungswidrigkeit, die – wie im vorliegenden Fall – sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden kann (vgl. § 65 AwSV), in den Urteilstenor nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 260 Abs. 4 StPO mit aufgenommen werden muss, sofern sie sich nicht bereits aus der gesetzlichen Überschrift ergibt, was vorliegend wiederum nicht der Fall ist (vgl. Seitz/Bauer in Göhler a.a.O., § 71 Rn 41).“

zfs 5/2020, S. 293 - 294

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