Führen mehrere widerstreitende Sachverständigengutachten im Prozess nicht zu einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage, kann eine gerichtliche Anhörung aller Sachverständigen in einem einzigen Termin geboten sein, um im Hinblick auf die Vielzahl der vorliegenden und teilweise unterschiedlichen Gutachten eine abschließende Klärung herbeizuführen.[95] Das Gericht hat von Amts wegen auf die Aufklärung von Widersprüchen hinzuwirken.[96] Dies gilt insbesondere auch bei Widersprüchen zwischen den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und einem Privatgutachter.[97] Es darf sich nicht mit einer eigenen Interpretation der Ausführungen hierüber hinwegsetzen[98] und muss gegebenenfalls ein weiteres Gutachten einholen.[99]

In der Praxis kommt es gelegentlich vor, dass die im Arzthaftungsprozess unterlegene Anspruchstellerseite den Sachverständigen gem. § 839a BGB mit dem Vorwurf eines vorsätzlich oder grob fahrlässig erstellten unrichtigen Sachverständigengutachtens in Anspruch nimmt. Die Rechtsprechung stellt jedoch strenge Anforderungen und fordert substantiierten Sachvortrag insbesondere hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit und Kausalität für den Ausgang des Prozesses.[100]

Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens im Arzthaftungsrecht ist nicht grundsätzlich unzulässig.[101] Es fehlt allerdings am rechtlichen Interesse i.S.d. § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO, wenn evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann.[102] Streitig ist, ob auch die wichtige Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers überhaupt zu den in § 485 Abs. 2 ZPO abschließend aufgezählten Beweisthemen zählt.[103]

[98] BGH VersR 2001, 859; NJW 2002, 2944, 2945; 2004, 1871.
[99] BGH NJW 2001, 2796, 2797; 2004, 1871.
[100] LG Bochum MedR 2009, 95 ff. m. Anm. Cramer.
[101] BGHZ 153, 302 ff.; OLG Koblenz OLGR 2005, 639.
[102] BGH MDR 2005, 162, 163; OLG Köln NJW-RR 1996, 573, 574.
[103] Dagegen: OLG Hamm, Urt. v. 27.1.1993 – 3 W 52/92; Reiprich, MedR 2009, 157 f.; ohne Begründung dafür: OLG Stuttgart NJW 1999, 875; OLG Düsseldorf NJW 2000, 3438 f.

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