BGB §§ 249 S. 1, 254; ZPO § 287

Zur Schätzung eines Aufschlags zum Normaltarif bei einem sog. Unfallersatztarif.

BGH, Urt. v. 19.1.2010 – VI ZR 112/09

Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 22.3.2006. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Der Kläger hat bei der Autovermietung H, die dem Rechtsstreit als Streithelferin auf Klägerseite beigetreten ist (künftig: Streithelferin), für die Zeit der Reparatur des bei dem Unfall beschädigten Transporters Fiat Ducato als Ersatzwagen einen Transporter Hyundai H1 der Mietwagengruppe 6 zum Tagespreis von 172 EUR netto angemietet. Dabei ging der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger nach dem Reparaturablaufplan von einer Reparaturdauer von fünf Tagen aus. Auf Grund der Lieferung falscher Türen verlängerte sich die Reparaturzeit um weitere vier Tage und dauerte von Montag, den 27.3.2006, bis Mittwoch, den 4.4.2006. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich 531 EUR für den Mietwagen und lehnte eine weitere Erstattung von Mietwagenkosten ab. Der Kläger macht mit der Klage unter Berücksichtigung einer 5 %-igen Eigenersparnis weitere Mietwagenkosten von 1.116,75 EUR geltend.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG die Beklagte unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung zur Zahlung von lediglich 284,55 EUR nebst Zinsen ab 19.8.2007 (Rechtshängigkeit) verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Aus den Gründen:

[3] “I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen dem Kläger gem. §§ 7, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVersG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 S. 1 BGB lediglich weitere Mietwagenkosten in Höhe von 284,55 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu. Zwar habe die Beklagte wegen des bei ihr liegenden Werkstattrisikos Mietkosten nicht nur für fünf, sondern für neun Tage zu erstatten. Die Anspruchshöhe bestimme sich allerdings nicht nach dem von der Streithelferin in Rechnung gestellten Unfallersatztarif, sondern nach dem Normaltarif, der anhand der Schwacke-Mietpreisliste 2006 zu ermitteln sei. Der Kläger und die Streithelferin hätten nicht hinreichend dargelegt, dass der gegenüber dem Normaltarif höhere Tarif auf Grund konkreter aus Anlass der unfallbedingten Anmietung des Klägers gegebener Kostenfaktoren gerechtfertigt sei. Es fehle eine am Einzelfall orientierte Aufstellung der Kostenkalkulation. Nach der Rspr. des BGH würden zwar die Anforderungen an die Darlegungslast des Geschädigten mit dem Erfordernis konkreter Angaben zur Kalkulation des Unfallersatztarifes überspannt. Jedoch könne die Prüfung, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte einen Mehrpreis rechtfertigten – gegebenenfalls durch einen Aufschlag auf das gewichtete Mittel des Schwacke-Mietpreisspiegels – nur dann zu einem Ergebnis führen, wenn sich die unfallbedingten Leistungen in bezifferbare Beträge bzw. prozentuale Aufschläge fassen ließen. Ohne substantiierte Darlegung der im Einzelfall maßgebenden unfallspezifischen Kostenfaktoren fehle hingegen die Grundlage für eine fundierte Beratung durch den Sachverständigen, unter dessen Hinzuziehung erforderlichenfalls der Tatrichter die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten zu schätzen habe. Der bei der Kammer übliche pauschale Aufschlag von 20 % auf den Normaltarif bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen könne nicht zugesprochen werden, weil substantiierter Vortrag des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers dazu fehle, dass er zur Vorfinanzierung nicht im Stande gewesen sei. Es sei gerichtsbekannt, dass zahlreiche namhafte Vermieter vor Ort für die Anmietung eines Fahrzeugs der unteren Mietwagenklassen 1 und 2 lediglich die Vorlage einer EC-Karte verlangten. Ferner hätte der Kläger sich mit der Beklagten in der Zeit zwischen Unfall und Anmietung in Verbindung setzen können, um eine Finanzierung der Mietwagenkosten sicherzustellen. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass ihm ein wesentlich günstigerer Tarif unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt nicht zugänglich gewesen sei. Er habe sich lediglich bei zwei Autovermietungen nach den entsprechenden Mietpreisen erkundigt und dabei nur von einer eine Auskunft erhalten. Schon im Hinblick auf die Höhe des in Anspruch genommenen Tarifs hätten weitere Erkundigungen bei anderen Mietwagenanbietern nahe gelegen, um sich einen Überblick zu verschaffen, zumal eine Not- oder Eilsituation nicht vorgelegen habe. Der von der Streithelferin in Rechnung gestellte Preis von 175 EUR netto pro Tag sei um ein Vielfaches höher als der nach dem Modus der Schwacke-Liste 2006 übliche. Danach sei ein Mietwagenpreis von 555 EUR brutto pro Woche angemessen und erforderlich. Daraus ergebe sich der Tagespreis von 79,29 EUR brutto bzw. für den vorsteuerabzugsberechtigten Kläger von 66,60 EUR netto. Dem Kläger stünden daneben die Kosten für die Vollkaskoversicherung sowie für die Zustellung und A...

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