Hans-Jürgen Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 1, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

6. Aufl. 2009, Deutscher AnwaltVerlag, 944 Seiten, 78 EUR

Rechtspolitik spart das Straßenverkehrsrecht nicht aus. StVG, FeV, VVG und der Bußgeldkatalog sind seit der letzten Auflage verändert, teilweise von Grund auf novelliert worden. In der Rechtsprechung nicht nur des BGH und des BVerwG, sondern auch der Obergerichte sind zahlreiche neu aufgetretene Streitfragen entschieden worden. All das hat der Verf. sorgfältig registriert und in der Neuauflage verarbeitet. Aufbau und Gliederung sind im Wesentlichen beibehalten worden. Das Werk ist in 6 größere Blöcke (im Vorfeld der Verteidigung; Verteidigung in Bußgeldsachen; Alkohol und Drogen im Straßenverkehr einschließlich Straßenverkehrsgefährdung; Unfallflucht und andere Verkehrsstraftaten; Rechtsfolgen und Verkehrsverwaltungsrecht) gegliedert. Gerichtsurteile bis etwa September 2008 sind berücksichtigt worden. Zahlreiche wichtige Tipps spiegeln die große Erfahrung des Autors wieder. Wiewohl das Buch in erster Linie Verteidigern praktische Hilfestellung bieten soll, scheut sich Gebhardt nicht, mitunter zu Streitfragen beherzt Stellung zu nehmen.

Das Werk ist breit angelegt. So geht der Verf. z.B. ausführlich auf rechtsschutz- und haftpflichtversicherungsrechtliche Fragen, die der Verteidiger im Auge behalten muss, ein. Ein spezieller Paragraph ist der Vollstreckung rechtskräftiger ausländischer Entscheidungen im Inland gewidmet, wobei Gebhardt auch die künftige Rechtslage (Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses vom 24.2.2005 in deutsches Recht) ins Visier nimmt. In dem Unterabschnitt über Registereintragungen kommt auch das Punktsystem zu seinem Recht. Der Autor informiert hier u.a. über die brandneue Rechtsprechung des BVerwG zur (fehlenden) Bedeutung der Reduzierung des Punktestandes im Widerspruchsverfahren sowie zur Maßgeblichkeit des Tattagsprinzips für die Beurteilung des Punktestandes. Breiten Raum nimmt die Verteidigung in Bußgeldsachen ein. Hier werden u.a. die Entwicklung der Rechtsprechung zum Fahrverbot im Detail nachgezeichnet und bedeutsame Aspekte des Bußgeldverfahrens abgehandelt. Der Autor führt weiter anhand von Schaubildern allgemein in die BAK ein. Beim Nachweis der BAK stellt er den vom BVerfG den Ermittlungsbehörden ins Stammbuch geschriebenen Richtervorbehalt heraus und beklagt zurecht, dass dieser in der Praxis unter Berufung auf die Eilkompetenz nach wie vor weitgehend negiert wird. Alle wichtigen Tatbestände des Verkehrsstrafrechts einschließlich der Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis und der Ausnahmen von der Sperre werden ausgeleuchtet. Der Verf. geht auch auf das Spannungsverhältnis zwischen § 69a Abs. 2 StVG und § 9 FeV i.d.F. der 4. ÄnderungsVO ein. Er hält letztere Vorschrift, soweit ihr Geltungsbereich auf Fälle des § 69a Abs. 2 StGB (klarstellend) ausgeweitet worden ist, für verfassungswidrig, weil unverhältnismäßig. Eine RechtsVO könne kein Gesetz konterkarieren. Auch sei die Achtungspflicht der FE-Beh. gem. § 3 Abs. 4 StVG tangiert. Das sind erwägenswerte Überlegungen, hinter die aber gleichwohl ein Fragezeichen zu setzen ist. Immerhin stellt § 9 FeV die Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe (Art. 5, I, 9 d. 2. Führerscheinrichtlinie) dar, die auch der Strafrichter, erst recht die Fe-Beh., die ohnehin die vom Strafrichter gestatteten Ausnahmen von der Sperre nicht einfach exekutieren muss, nicht schlechthin ignorieren kann. Das im Teil 6 behandelte Verkehrsverwaltungsrecht mit den Schwerpunkten: Eignungszweifel und MPU, Neuerteilung der Fahrerlaubnis sowie im Ausland erworbene Fahrerlaubnis ist ausgebaut worden. Andere verkehrsverwaltungsrechtliche Problemfelder wie Punktsystem, Fahrtenbuchanordnung, Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen und Abschleppen sind in Ansätzen an anderen Stellen integriert worden. Der Verf. teilt u.a. mit, dass in der Neufassung des § 20 FeV die zweijährige Ausschlussfrist für den Verzicht auf eine erneute Fahrprüfung im Rahmen der Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestrichen worden ist. Er zeigt auch die Konsequenzen, insbesondere diejenigen strafrechtlicher Art, der neuesten Entscheidungen des EuGH zur Anerkennung einer missbräuchlich und während in Deutschland laufender Sperre im EU-Ausland erworbener Fahrerlaubnis auf. Schließlich weist er auf die durch die 3. Führerscheinrichtlinie mit Wirkung vom 19.1.2009 geschaffene neue Rechtslage bezüglich der Anerkennung im EU-Ausland erlangter Fahrerlaubnis hin.

Das Werk ist eine wahre Fundgrube an Informationen und Anregungen in Verkehrsstraf- bzw. -OWi-Sachen, die Verteidigern nur ans Herz gelegt werden kann.

RAuN a.D. Ulrich Ziegert, Lüneburg

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge