VV RVG Nr. 1000, 2300

Leitsatz

Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Vertrages, der danach abgeschlossen wird, kann – sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird – eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrages i.S.d. Nr. 1000 RVG VV bedeuten.

BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 186/07

Sachverhalt

Im Rahmen einer Honorarklage machte die Klägerin, eine aus zwei Rechtsanwältinnen bestehende BGB-Gesellschaft, vor dem AG Tostedt gegen ihre frühere Mandantin als Beklagte Honoraransprüche geltend. Die Beklagte hatte eine der Rechtsanwältinnen in den Kanzleiräumen aufgesucht, um sich wegen einer Trennungsvereinbarung beraten zu lassen. Diese sollte am nächsten Tag beurkundet werden. Die Rechtsanwältin entwarf auftragsgemäß einen Ehe- und Scheidungsfolgenvertrag. Diesen Entwurf holte die Beklagte am nächsten Tag ab, worauf der Vertrag zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann ohne weitere Abänderung von einem Notar beurkundet wurde. In dem Vertrag haben die Beklagte und ihr Ehemann u.a. wechselseitig auf etwaige Ansprüche auf Zugewinnausgleich oder sonstige Vermögensauseinandersetzungen und auf Zahlung nachehelichen Unterhalts verzichtet. Für die Anwaltstätigkeit verlangte die Klägerin von der Beklagten eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG nebst Auslagen. Hierauf zahlte die Beklagte nur einen geringen Teil des Honorars. Das AG hat die Geschäftsgebühr in vollem Umfang zugesprochen, die Klage auf Zahlung der Einigungsgebühr hingegen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das LG Stade zurückgewiesen. Die zugelassene Revision hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Aus den Gründen: „… [7] a) Die Einigungsgebühr soll die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben vorausgesetzt hat, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren. Durch den Wegfall der Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens soll insbesondere der in der Vergangenheit häufige Streit darüber vermieden werden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks. 15/1971, S. 147 und 204). Unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (BGH, Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05, MDR 2007, 492, Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08 Rn 7, z.V.b.). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden, durch die zudem die Belastung der Gerichte gemindert wird (BGH, Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05, a.a.O.).

[8] b) Nach dem zweiten Halbsatz des Abs. 1 der Nr. 1000 VV RVG reicht allerdings die bloße Annahme eines einseitigen Verzichts oder ein Anerkenntnis für die Entstehung der Einigungsgebühr nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 – VIII ZB 29/05, MDR 2006, 1375; Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05, a.a.O.). Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Abschluss eines sich wechselseitig auf ein Anerkenntnis und einen Verzicht beschränkenden Vertrags grundsätzlich eine Einigungsgebühr nicht entsteht. Selbst ein Vergleich, in welchem der Schuldner den Ausgleich eines Teils der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung zusagt und der Gläubiger den weitergehenden Anspruch fallen lässt, ist nichts anderes als eine Kombination von Anerkenntnis und Verzicht. Die Einigungsgebühr gelangt daher nur dann nicht zur Entstehung, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag ausschließlich das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch zum Inhalt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 – VIII ZB 29/05, a.a.O.; Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05, a.a.O.).

[9] Vorliegend handelt es sich um wechselseitige Verzichtserklärungen der Vertragsparteien auf Zugewinnausgleich und nacheheliche Unterhaltsansprüche, so dass der Ausnahmetatbestand des zweiten Halbsatzes des Abs. 1 der Nr. 1000 VV RVG nicht eingreift. Bei einem gegenseitigen Verzicht auf Unterhalt liegt eine Einigung vor. Dies gilt selbst dann, wenn vorher nicht gegenseitige Unterhaltsansprüche geltend gemacht wurden, weil jedenfalls, was die zukünftigen Ansprüche angeht, eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis i.S.d. Nr. 1000 VV RVG beseitigt wird. (OLG Koblenz NJW 2006, 850 f; OLG Frankfurt a.M. FamRZ 2007, 843; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., VV 1000 Rn 182 f.).

[10] …

[11] c) Nach einhelliger Ansicht in Rspr. und Schrifttum bedeutet Mitwirkung i.S.d. Nr. 1000 VV RVG, dass der Anwalt eine auf das Zustandekommen der Einigung gerichtete Tätigkeit vornimmt und diese sich mitursächlich auf den Vertragsabschluss auswirkt. Es genügt...

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