Die Anwendung von Computerprogrammen für die Unfallrekonstruktion scheint eine Tätigkeit zu sein, die vielen Ingenieuren Freude macht. Meist wird die Freude gleich wieder getrübt, weil es notwendig ist, sich an eine Unfallstelle zu begeben und Messdaten für die Anfertigung einer Zeichnung (oder gleichbedeutend: maßstabsgerechte Abbildung) zu erheben. Einfacher ist es, wenn dann schon etwas vorhanden ist, das vielleicht nicht die Ansprüche an eine Zeichnung erfüllt, aber so aussieht, als ob es eine wäre oder zumindest kann man versuchen, zu behaupten, dass es eine sei. Juristen wissen oft nicht, ob es eine Skizze nicht auch tut, denn die Polizei macht ja meist nur Unfallskizzen. Dass dort steht "nicht maßstabsgerecht" oder "Skizze ohne Maßstab" ändert nichts an dem amtlichen Charakter des Beweismittels.

Fall 1

In diesem Fall gab es eine Skizze der Polizei, die deutlich erkennbar nicht maßstabsgerecht war. Mit dieser Skizze (Bild 5) wurde eine Multibody-Simulation durchgeführt (Bild 6). Das ist eine äußerst empfindliche und auf genaueste Zeichnungen angewiesene Berechnungsmethode, die in Verbindung mit einer nicht maßstabsgerechten Skizze sicher kein Vernünftiges liefern kann; es sieht aber gut aus. Die Vermessung der Unfallstelle zeigte, dass die Skizze der Polizei mit dem wirklichen Kurvenverlauf nur den Richtungssinn gemeinsam hatte.

Bild 5: Ausschnitt aus VU-Skizze

Bild 6: Multibody-Simulation in einer nicht maßstabsgerechten Handskizze

Fall 2

Beispielhaft sei hier ein Fall erwähnt, bei dem es u.a. um die Beurteilung der Reaktion der Fahrer zweier Nutzfahrzeuge ging. Dabei spielten eine Felswand eine Rolle und der genaue Verlauf der Kurve. Zwei Sachverständige versuchten sich an dem Problem mit einer teilweise maßstabsgerechten Skizze. Das ging aber viel besser und objektiv nachvollziehbar mit einer Triangulation (Dreiecksvermessung) und Überlagerung mit einem Luftbild (Bild 7); erst jetzt waren plausible Ergebnisse zu erarbeiten.

Bild 7: Überlagerung von Triangulation und Luftbild

Fall 3

Manchmal kann es für den Sachverständigen einfacher sein, wenn weder eine Skizze noch eine Zeichnung vorhanden ist und dies im Beweisbeschluss nicht gefordert ist. Dann kann vielleicht die "jahrelange Erfahrung", die "sachverständige Bewertung" oder das "sachverständige Ermessen" die viele Mühe mit der objektivierten Nachprüfung von Behauptungen vor Ort ersetzen.

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