[…]

Die auf die Sachrüge gestützte und von vornherein auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Betroffenen hiergegen hat vollen Erfolg. Entgegen der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Antrag vom 13.12.2022, auf den wegen der Einzelheiten des Verfahrens Bezug genommen wird, wurde die gegen das Urteil des AG Karlsruhe vom 19.9.2022 durch ihren Verteidiger form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen – was der Verteidiger mit Schriftsatz vom 30.12.2022 auch nochmals klargestellt hat – konkludent auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, als allein die Erhöhung der im Bußgeldkatalog für den qualifizierten Rotlichtverstoß vorgesehenen Regelgeldbuße (von 200 EUR auf 400 EUR) angegriffen wurde, in der Rechtsbeschwerdebegründung vom 17.11.2022 ist abschließend auch mitgeteilt, dass gegen die Festsetzung einer Geldbuße, welche 200 EUR nicht übersteigt, durch den Senat (§ 79 Abs. 6 OWiG) keine Bedenken bestünden.

Die Entscheidung entspricht im Übrigen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, welche in ihrer Zuschrift vom 13.12.2022 in Bezug auf die Rechtsfolgenbemessung folgendes ausgeführt hat:

Zitat

b) Die Rechtsfolgenbemessung ist jedoch rechtsfehlerhaft.

Die für und gegen den Betroffenen sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (vgl. BGH, Urt. v. 28.3.2013 – 4 StR 467/12, BeckRS 2013, 6623). In die Zumessung des Tatrichters darf das Rechtsbeschwerdegericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen (KK-StPO/Kuckein/Bartel, StPO § 267 Rn 25). Die Urteilsgründe müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, welche Erwägungen gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 3 StPO für die Wahl und die Bemessung der Geldbuße und der sonstigen Rechtsfolgen maßgebend waren (BeckOK OWiG/Hettenbach, OWiG § 71 Rn 81).

Das Amtsgericht hat sich bei der Rechtsfolgenbemessung zunächst im Ausgangspunkt zutreffend an den Sätzen der Nummer 132.3 der Bußgeldkatalog-Verordnung in der zur Tatzeit geltenden Fassung orientiert, die eine Geldbuße von 200,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat vorsieht. Das Amtsgericht ist zudem zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3BKatV vorliegen, die eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG und die Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Regelfahrverbotes von einem Monat indizieren. Ebenso zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass ein Absehen von einem Regelfahrverbot nicht aufgrund eines Augenblickversagens angenommen werden kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.8.2021 – 1 Rb 34 Ss 457/21).

Das Amtsgericht hat sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, dass ein Absehen von einem Fahrverbot nach § 25 StVG auch dann in Betracht kommt, wenn dessen Verhängung aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geboten erscheint, weil dessen Erziehungsfunktion die warnende Wirkung des Fahrverbots nicht mehr erfordert (vgl. BVerfGE 27, 36; OLG Stuttgart BeckRS 2017, 101244; BeckOK OWiG/Euler, StVG § 25 Rn 6). Voraussetzung hierfür ist, dass die zu ahndende Tat lange (in der Regel mehr als zwei Jahre) zurückliegt, dass die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und dieser sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (OLG Zweibrücken BeckRS 2017, 133176; OLG Celle NZV 2011, 46; OLG Jena NZV 2008, 165; BeckOK OWiG/Euler a.a.O.). Vorliegend waren seit der Tat vom 22.5.2020 bis zum Urteil des AG am 19.9.2022 2 Jahre und 4 Monate vergangen. Ausweislich des Urteils ist die Betroffene verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Die Ursachen der erheblichen Verfahrensverzögerungen sind nicht der Sphäre der Betroffenen zuzurechnen. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs kam daher die Verhängung eines Fahrverbots nicht in Betracht. Damit liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 StVG nicht vor, sodass es für die vom Amtsgericht vorgenommene Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV, die zur Erhöhung der Regelgeldbuße geführt hat, keine Grundlage mehr gibt (vgl. NK-GVR/Krumm, StVG § 25 Rn 12).

Da ausgeschlossen erscheint, dass insoweit bei einer Zurückverweisung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die nicht zu einem Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots wegen des Zeitablaufs seit der Tat führen würden, kann der Senat nach § 79 Abs. 6 OWiG die Geldbuße auf den Regelbetrag von 200,00 EUR selbst festsetzen.

Dieser Bewertung schließt sich der Senat an und entscheidet, da weitere ergänzende Feststellungen nicht erforderlich und auch nicht zu erwarten sind (entsprechend auch dem in der Rechtbeschwerdebegründung vom 17.11.2022 gestellten Antrag), gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst. Um dem Erfordernis, den Tatbestand "präzise und für die Prozessbeteiligten und die Öffentlichkeit griffig und verständlich zu bezeichnen" (KMR StPO/Si...

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