[…] II. Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat bereits auf die Sachrüge hin Erfolg, sodass es auf die erhobene Aufklärungsrüge nicht mehr ankommt. Die angefochtene Entscheidung unterliegt der Aufhebung, weil die den Freispruch aus tatsächlichen Gründen tragende Beweiswürdigung lückenhaft ist (§ 267 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).

1. Nach den Feststellungen des AG erfolgte die Geschwindigkeitsmessung mit einem geeichten Messgerät PoliScanSpeed, Softwareversion 3.2.4., welches zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Messung auf einem Stativ auf einer Rasenfläche neben der Fahrbahn aufgestellt war. Das Amtsgericht sah es nach durchgeführter Beweisaufnahme als erwiesen an, dass das Messgerät entgegen den Vorgaben in Ziffer 7.1.1 der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers nicht auf einem hinreichend festen Untergrund aufgestellt gewesen sei. So habe der als Zeuge vernommene Messbeamte zwar pauschal bestätigt, dass er die Messung entsprechend seiner Schulung und gemäß der Bedienungsanleitung durchgeführt habe, sich aber nicht mit Sicherheit daran erinnern können, dass er auf ausreichend festen Untergrund bei der Aufstellung des Messgeräts im Stativbetrieb geachtet habe. Zudem habe der hinzugezogene Sachverständige für Geräte zur Verkehrsüberwachung feststellen können, dass sich während der Messung der horizontale Schwenkwinkel des Messgerätes verändert habe, und daraus den Schluss gezogen, dass das Messgerät nicht auf einem hinreichend festen Untergrund aufgestellt worden sei und damit ein Verstoß gegen die Bedienungsanleitung vorliege. Das Amtsgericht ging deshalb nicht vom Vorliegen einer Messung im sog. standardisierten Messverfahren aus. Die damit erforderliche nachträgliche individuelle Überprüfung auf Messfehler sei dem Sachverständigen aufgrund der ihm vorliegenden Anknüpfungstatsachen aber nicht möglich gewesen, da die hierzu von ihm benötigten Daten durch das Gerät nicht gespeichert werden. Daher sei der Betroffene freizusprechen.

2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Betroffenen freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 26.1.2021 – 1 StR 376/20; Beschl. v. 22.10.2019 – 1 StR 219/17; Urt. v. 29.4.2015 – 5 StR 79/15; v. 12.2.2015 – 4 StR 420/14 und v. 11.8.2011 – 4 StR 191/11). Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 13.10.2020 – 1 StR 299/20; 29.4.2015 – 5 StR 79/15 und v. 11.8.2011 – 4 StR 191/11). So liegt der Fall hier.

3. Zwar hat das Amtsgericht im Ansatz zutreffend erkannt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgerätes PoliScanSpeed um ein sog. standardisiertes Messverfahren handelt (st.Rspr., vgl. nur jüngst OLG Naumburg, Beschl. v. 25.1.2021 – 1 Ws 205/20). Bei Verwendung eines von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (im Folgenden: PTB) zugelassenen und gültig geeichten Messgeräts, das durch geschultes Personal entsprechend den Vorgaben der Bedienungsanleitung bedient wurde, ist das Tatgericht nicht gehalten, weitere technische Prüfungen, insbesondere auch zur Funktionsweise des Geräts zu veranlassen. Nur wenn sich im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte ergeben, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses zu begründen, kann eine nähere Überprüfung des gemessenen Geschwindigkeitswertes – sei es durch einen Sachverständigen für Messtechnik, sei es durch eine ergänzende Stellungnahme der PTB oder des Geräteherstellers – geboten sein. Umständen, die abweichend vom Regelfall dem Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Messung entgegenstehen und konkrete Zweifel an der Funktionstüchtigkeit und der sachgerechten Handhabung des eingesetzten Geschwindigkeitsmessgeräts begründen, muss das Gericht nachgehen (OLG Bamberg, Beschl. v. 15.12.2017 – 2 Ss OWi 1703/17).

Hiervon ausgehend sah sich das Amtsgericht mit Blick auf seine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend festen Untergrundes am Messplatz gehalten, sich zur Überprüfung der Messung sachverständiger Hilfe zu bedienen. Jedoch ist die tatrichterliche Beweiswürdigung zum Fehlen eines derartigen Untergrundes, die sich wesentlich auf das Gutachten des Sachverständigen stützt, lückenhaft, da weder die tatsächlichen Anhaltspunkte noch die vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen so dargestellt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf ...

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