Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Bußgeldverfahren. Urteil. Freispruch. Staatsanwaltschaft. Tatgericht. Rechtsbeschwerdegericht. Sachrüge. Feststellungen. lückenhaft. Geschwindigkeitsüberschreitung. Geschwindigkeitsmessung. Einzelmessung. Messgerät. Messverfahren. Messergebnis. Messreihe. Messgerätehersteller. standardisiert. Messbeamter. Laserscanner. PoliScanSpeed. Bedienungsanleitung. Abweichung. Messfehler. Verfälschung. Annullierungsquote. Schulung. Beweiswürdigung. Zweifel. Eichung. Physikalisch-Technische Bundesanstalt. PTB. Rohmessdatenpunkte. Sachverständigengutachten. Urteilsgründe. Anknüpfungstatsachen. Schlussfolgerung. Darstellung. Darstellungsmangel. Schwenkwinkel. Smear-Effekt. Speicherung. Plausibilitätsprüfung. Fahrverbot. Zeitablauf. Verfahrensdauer. Einzelfall. Einflussbereich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird bei der Durchführung einer amtlichen Geschwindigkeitsmessung von den Vorgaben der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers abgewichen, gibt dies Anlass zu der Überprüfung, ob das erzielte Messergebnis den Vorgaben eines sog. standardisierten Messverfahrens entspricht.

2. Abweichungen von Vorgaben der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers vermögen das Vorliegen eines sog. standardisierten Messverfahrens jedenfalls dann nicht in Frage zu stellen, wenn die Möglichkeit einer fehlerhaften Messung ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

OWiG § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6, § 80a Abs. 1; StPO §§ 261, 267 Abs. 5 S. 1, § 353

 

Verfahrensgang

AG München (Entscheidung vom 14.02.2022)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 14.02.2022 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf, am 29.04.2020 auf der A-Straße in B. mit einem Kraftfahrzeug fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 34 km/h überschritten zu haben, freigesprochen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Rechtsbeschwerde und begründet diese mit der Sachrüge sowie mit der Verfahrensrüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten, welche die Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts vom 14.02.2022 mit den zugrunde liegenden Feststellungen und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht beantragt. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 28.03.2022 eine Gegenerklärung zur Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und mit Schriftsatz vom 26.10.2022 zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 27.09.2022 abgegeben.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat bereits auf die Sachrüge hin Erfolg, sodass es auf die erhobene Aufklärungsrüge nicht mehr ankommt. Die angefochtene Entscheidung unterliegt der Aufhebung, weil die den Freispruch aus tatsächlichen Gründen tragende Beweiswürdigung lückenhaft ist (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).

1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts erfolgte die Geschwindigkeitsmessung mit einem geeichten Messgerät PoliScanSpeed, Softwareversion 3.2.4., welches zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Messung auf einem Stativ auf einer Rasenfläche neben der Fahrbahn aufgestellt war. Das Amtsgericht sah es nach durchgeführter Beweisaufnahme als erwiesen an, dass das Messgerät entgegen den Vorgaben in Ziffer 7.1.1 der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers nicht auf einem hinreichend festen Untergrund aufgestellt gewesen sei. So habe der als Zeuge vernommene Messbeamte zwar pauschal bestätigt, dass er die Messung entsprechend seiner Schulung und gemäß der Bedienungsanleitung durchgeführt habe, sich aber nicht mit Sicherheit daran erinnern können, dass er auf ausreichend festen Untergrund bei der Aufstellung des Messgeräts im Stativbetrieb geachtet habe. Zudem habe der hinzugezogene Sachverständige für Geräte zur Verkehrsüberwachung feststellen können, dass sich während der Messung der horizontale Schwenkwinkel des Messgerätes verändert habe, und daraus den Schluss gezogen, dass das Messgerät nicht auf einem hinreichend festen Untergrund aufgestellt worden sei und damit ein Verstoß gegen die Bedienungsanleitung vorliege. Das Amtsgericht ging deshalb nicht vom Vorliegen einer Messung im sog. standardisierten Messverfahren aus. Die damit erforderliche nachträgliche individuelle Überprüfung auf Messfehler sei dem Sachverständigen aufgrund der ihm vorliegenden Anknüpfungstatsachen aber nicht möglich gewesen, da die hierzu von ihm benötigten Daten durch das Gerät nicht gespeichert werden. Daher sei der Betroffene freizusprechen.

2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Betroffenen fre...

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