"… Zutreffend stellt das LG fest, dass die Bekl. gem. § 26 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei ist, weil der Kl. den ihm im Mai 2014 nachträglich bekannt gewordenen Verlust eines Fahrzeugschlüssels bei der Mieterin E als Fall einer objektiven Erhöhung der versicherten (Diebstahls-)Gefahr entgegen § 23 Abs. 3 VVG nicht bei der Bekl. angezeigt hatte."

Gem. § 23 Abs. 1 VVG ist es dem VN untersagt, nachträglich eine Erhöhung der versicherten Gefahr vorzunehmen oder deren Vorname durch einen Dritten zu gestatten. Verletzt der VN diese Obliegenheit vorsätzlich, wird der VR gem. § 26 Abs. 1 VVG von seiner Leistungspflicht frei. Tritt die Gefahrerhöhung jedoch – wie vorliegend der Schlüsselverlust – ohne Wissen und Wollen des VN ein, erlangt dieser aber nachträglich Kenntnis davon, besteht zu seinen Lasten zwar keine Verpflichtung, die erhöhte Gefahr – z.B. durch Auswechslung der Schlösser oder Umcodierung der Schließanlage – aktiv zu beseitigen, weshalb die als solche wertneutrale Weiterbenutzung und -vermietung des Fahrzeugs nach Bekanntwerden des Schlüsselverlustes nicht als Vornahme einer Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 1 VVG angesehen werden kann (vgl. OLG Celle VersR 2005, 640–643). Allerdings ordnet § 23 Abs. 3 VVG für diesen Fall an, dass der VN die unabhängig von seinem Willen eingetretene Gefahrerhöhung, sobald er von ihr Kenntnis erlangt hat, unverzüglich beim VR anzuzeigen hat.

Diese gesetzliche Anzeigeobliegenheit hat der Kl. durch das Unterlassen der Anzeige verletzt. Er hatte Kenntnis von den gefahrerhöhenden Umständen. Denn er ist durch die Mieterin E am 19.5.2014 über den Schlüsselverlust informiert worden. Er wusste auch, dass die gefahrerhöhenden Umstände den Charakter einer Gefahrerhöhung in sich tragen. Er trägt mit der Berufungsbegründung selbst vor, dass ein durchschnittlicher VN vielleicht auf die Idee komme, das Schloss auszutauschen. Dies setzt die vorherige Erkenntnis voraus, dass sich die Diebstahlsgefahr durch den Schlüsselverlust erhöht hat. Diese Erkenntnis lag hier auf der Hand, da die Mieterin des Fahrzeugs einen Fahrzeugschlüssel unter ihm nicht näher bekannten Umständen verloren hat. Das Vertrauen in die Unbescholtenheit der Mieterin selbst vermag daran nichts zu ändern. Umstände, die die unbefugte Benutzung der Schlüssel durch einen Dritten für eine Entwendung des Fahrzeugs hätten vollkommen ausgeschlossen erscheinen lassen, hat er nicht vorgetragen. Dass sich dadurch die bei der Bekl. versicherte Diebstahlsgefahr durch den Schlüsselverlust erhöht hatte, war dem Kl. damit bekannt.

Dies hat zur Folge, dass die Bekl. gem. § 26 Abs. 2 S. 1 VVG von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist, weil der Versicherungsfall erst im Juli 2014 – und damit mehr als einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige beim VR hätte eingehen müssen – eingetreten ist, und weil sich der Kl. von der Vorsatzvermutung nicht entlastet hat.

a) Nach seinem Wortlaut, wonach der VR – ausnahmsweise – zur Leistung verpflichtet bleibt, wenn der VN nicht vorsätzlich gehandelt hat, regelt § 26 Abs. 2 S. 2 VVG eine Vorsatzvermutung zu Lasten des VN, sodass es dem Kl. obliegt, den Beweis für das Nichtvorliegen von Vorsatz zu führen.

Soweit der Kl. mit der Berufungsbegründung unter Hinweis auf verschiedene Stimmen in der Literatur (vgl. u.a. Felsch r+s 2007, 485, 488; Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, 3. Aufl., § 26 Rdnr. 18; a.A. jedoch Seggler/Degen, in: Staudinger/Halm/Wendt, Fachanwaltskommentar Versicherungsrecht 2013, § 26 Rn 14 m.w.N.) die Ansicht vertritt, die Regelung des § 26 Abs. 2 S. 2 VVG sei entgegen ihrem Wortlaut teleologisch dahingehend auszulegen, dass systemkonform der VR, wenn er vollständige Leistungsfreiheit reklamiere, den Beweis für vorsätzliches Handeln zu führen habe, folgt der Senat dem nicht. Eine solche Auslegung käme nur in Betracht, wenn ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden wären, dass es sich bei der Formulierung des Regel-/Ausnahmeprinzips in § 26 Abs. 2 S. 2 VVG tatsächlich um ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen handelt. Daran fehlt es nach Auffassung des Senates jedoch.

Zutreffend weist der Kl. zwar darauf hin, dass eine Vorsatzvermutung im Rahmen des § 26 Abs. 2 S. 2 VVG nicht mit der Beweislastverteilung in § 26 Abs. 1 VVG und in § 28 Abs. 2 VVG korrespondiert. Denn im Anwendungsbereich dieser zuletzt genannten Normen obliegt es jeweils dem VR, will er Leistungsfreiheit geltend machen, den Beweis für ein vorsätzliches Handeln des VN zu führen. Allerdings fehlen eindeutige, tragfähige Hinweise dafür, dass es sich bei der Formulierung des § 26 Abs. 2 S. 2 VVG um ein Redaktionsversehen handelt und der Gesetzgeber tatsächlich die Beweislastverteilung in § 26 Abs. 2 VVG mit den Regelungen unter § 26 Abs. 1 VVG und § 28 Abs. 2 VVG gleichlautend regeln wollte. Soweit die oben zitierten Stimmen in der Literatur (führend Felsch a.a.O. und Karczewski a.a.O.) dies unter Hinweis auf die ausdrücklich erklärten Reformziele des Gesetzgebers (Begründung des Regierungsentwurfs z...

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