[8] "… II. Die Revision des Bekl. ist begründet. Das Urt. des BG steht nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Annahme, die angegriffenen verkehrsrechtlichen Anordnungen seien insb. deshalb unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft, weil rund zwei Drittel der vom Durchfahrverbot betroffenen Transportunternehmer den Streckenabschnitt bereits vor der Einführung der Autobahnmaut benutzt hätten, ist unzutreffend. Der Bekl. hat diesen Umstand bei seinen Ermessenserwägungen berücksichtigt und konnte ohne Ermessensfehler (§ 114 VwGO) zum Ergebnis kommen, dass gleichwohl dem Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm der Vorrang gebührt und die Strecke deshalb für den Durchgangsverkehr mit schweren Nutzfahrzeugen gesperrt werden darf. Die angeordneten Durchfahrverbote sind auch ansonsten rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO)."

[9] Gem. § 45 Abs. 9 S. 3 StVO, der nach dem Beginn der Erhebung von Autobahnmaut zum 1.1.2005 mit der Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung v. 22.12.2005 (BGBl I S. 3714) in die Norm eingefügt wurde, dürfen abweichend von S. 2 zum Zwecke des Abs. 1 S. 1 – aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – oder des Abs. 1 S. 2 Nr. 3 – zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen – Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs auch angeordnet werden, soweit dadurch erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge hervorgerufen worden sind, beseitigt oder abgemildert werden können.

[10] 1. Ausgehend von den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des BG (§ 137 Abs. 2 VwGO) gab es in dem von der Sperrung betroffenen Abschnitt der B 8 erhebliche Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse wegen der durch den Mautausweichverkehr hervorgerufenen erhöhten Verkehrslärmbelastung.

[11] a) In der Rspr. des BVerwG ist geklärt, dass, soweit es um den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO geht, Orientierungspunkte für eine nähere Bestimmung, wann eine Lärmzunahme “erheblich' ist, der Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BlmSchV – v. 12.6.1990 (BGBl I S. 1036) entnommen werden können. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 16. BImSchV ist eine Lärmzunahme “wesentlich', wenn der Beurteilungspegel des Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 16. BImSchV gilt dasselbe, wenn der Beurteilungspegel von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht weiter erhöht wird; dies gilt nicht in Gewerbegebieten. Dem liegt eine Wertung des Verordnungsgebers zugrunde, die sich – entgegen der Annahme des VG – für beide Teilregelungen gleichermaßen auf § 45 Abs. 9 S. 3 StVO übertragen lässt. Die § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 und Abs. 2 S. 2 16. BImSchV zugrunde liegende Annahme, dass auch eine 3 dB(A) unterschreitende Lärmzunahme dann erheblich ist, wenn ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht erreicht oder überschritten wird, beruht darauf, dass ansonsten eine ohnehin bereits unzumutbare Lärmsituation noch verschlechtert oder jedenfalls verfestigt würde. Ließe man auch hier erst einen Zuwachs von 3 dB(A) genügen, liefe § 45 Abs. 9 S. 3 StVO gerade bei einer derart hohen Vorbelastung vielfach leer. Eine solche Erhöhung des Mittelungspegels um 3 dB(A) setzt nämlich etwa eine Verdoppelung des vorhandenen Verkehrsaufkommens voraus. Ein solches Ausmaß wird der Mautausweichverkehr gerade bei einer ohnehin hohen Ausgangsbelastung der Ausweichstrecke schon im Hinblick auf deren beschränkte Aufnahmefähigkeit nur selten erreichen (BVerwG, Urt. v. 13.3.2008 – 3 C 18.07, [zfs 2008, 714 =] BVerwGE 130, 383 <392 f.> Rn 33 ff.). Auch die Annahme der Kl., selbst bei einer so hohen Vorbelastung müsse die Zunahme mindestens 1 dB(A) betragen, um “erheblich' i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 3 StVO zu sein, entbehrt einer rechtlichen Grundlage.

[12] Danach ist das BG auf der Grundlage der Lärmwerte, die es dem vom Bekl. in Auftrag gegebenen Verkehrslärmgutachten und einer Isophonenkarte entnommen hat, zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Mautausweichverkehr hier zu erheblichen Auswirkungen i.S.v. § 45 Abs. 9 S. 3 StVO auf die Lärmbelastung der Anwohner geführt hat. Nach den tatsächlichen Feststellungen des BG, die nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden, erreicht der Verkehrslärm entlang des in Rede stehenden Streckenabschnitts tags an 9 und nachts an 17 überwiegend oder ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden Beurteilungspegel von über 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts.

[13] b) Daraus, dass diese Regelung die Straßenverkehrsbehörde zu Beschränkungen oder Verboten des fließenden Verkehrs nur ermächtigt, “soweit dadurch erhebliche Auswirkungen durch Mautausweichverkehr veränderter Verkehrsverhältnisse beseitigt oder abgemildert werden können', ergibt sich auf der ...

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