" … II. Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) aber offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1.1. Nach den bindenden Feststellungen des BG fuhr der Angeklagte am 20.5.2009 gegen 21.10 Uhr mit seinem mittels Elektromotor angetriebenen dreirädrigen Krankenfahrstuhl des Herstellers … ,Versicherungskennzeichen … bei einer (um 21.29 Uhr festgestellten) mittleren Blutalkoholkonzentration von 1,25 Promille von seiner Garage in N, L, auf dem dortigen Radweg in die ca. 300 m entfernte Tankstelle in der G-Straße in N zum Zwecke des Zigarettenholens. Seine Fahruntüchtigkeit habe er bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.

Die technischen Daten des Fahrzeugs hat das BG wie folgt festgestellt: Höchstgeschwindigkeit 15 km/h, Länge 1495 mm, Breite 755 mm, Höhe 1020 mm, Leergewicht 94 kg, Zulässiges Gesamtgewicht 300 kg. Das Fahrzeug verfügt über eine Beleuchtungsanlage, Fahrtrichtungsanzeiger, Bremseinrichtung und sogar über einen Rückwärtsgang.

Zum Betrieb im Straßenverkehr ist eine Haftpflichtversicherung (Versicherungskennzeichen) erforderlich, welche auch vorhanden war. Es liegt eine Betriebserlaubnis gem. § 21 StVZO vom 22.6.2004 vor.

1.2. Der Angeklagte hat sich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB strafbar gemacht. Denn er hat auf einem öffentlichen Radweg, der dem öffentlichen Straßenverkehr (§§ 315b, 315c StGB) zuzuordnen ist, ein Fahrzeug geführt, obwohl er infolge Alkoholgenusses bei einer Blutalkoholkonzentration von über 1,1 Promille absolut fahruntüchtig war, was er bei Beachtung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen.

1.3. Bei dem verfahrensgegenständlichen motorisierten Krankenfahrstuhl handelt es sich nicht nur um ein Fahrzeug i.S.v. § 316 StGB, sondern um ein Kraftfahrzeug, welches die Kriterien des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FeV erfüllt und deshalb fahrerlaubnisfrei geführt werden darf (vgl. zum motorisierten Krankenfahrstuhl BayObLG NStZ-RR 2001, 26 m.w.N.). Für den motorisierten Krankenfahrstuhl gilt die Straßenverkehrsordnung, mit der Besonderheit, dass auch dort, wo Fußgängerverkehr zulässig ist, zumindest mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf (§ 24 Abs. 2 StVO). Die Vorschriften für “besondere Fortbewegungsmittel’, gelten nur für solche, die nicht motorbetrieben sind, z.B. für Greifreifenrollstühle (§ 24 Abs. 1 StVO). Für das Führen eines motorisierten Krankenfahrstuhls gilt eine Mindestaltersgrenze von 15 Jahren (§ 10 Abs. 3 S. 1 FeV). Nach § 10 Abs. 3 S. 2 FeV darf das Mindestalter von 15 Jahren nur bei Krankenfahrstühlen mit einer Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 10 km/h – vorliegend 15 km/h – beim Führen durch behinderte Menschen unterschritten werden.

Zusätzliche Hinweise auf die Eigenschaft des Gefährts als “Kraftfahrzeug’ ergeben sich aus folgenden Regelungen:

§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen (FZV – in der Fassung vom 16.7.2009) nimmt von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren bestimmte “Kraftfahrzeugarten’ aus, unter anderem “motorisierte Krankenfahrstühle’ (Begriffsbestimmung vgl. § 2 Nr. 13 FZV). Nach § 4 Abs. 4 S. 2 FZV müssen motorisierte Krankenfahrstühle nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e FZV zum Betrieb auf öffentlichen Straßen zudem mit einer Kennzeichnungstafel nach der ECE-Regelung Nr. 69 über einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Tafeln zur hinteren Kennzeichnung von bauartbedingt langsamfahrenden “Kraftfahrzeugen’ und ihrer Anhänger (VkBI. 2003, S. 829) gekennzeichnet sein, die an der Fahrzeugrückseite oben anzubringen sind. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 FZV wird für “Kraftfahrzeuge’ i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1d–f FZV – hier motorisierte Krankenfahrstühle nach Buchst. e – durch ein Versicherungskennzeichen der Bestand der erforderlichen Haftpflichtversicherung nachgewiesen.

1.4. Nach der Grundsatzentscheidung des BGH v. 28.6.1990 (BGHSt 37, 89, Zitat juris Rn 23 [= zfs 1990, 285]) sind alle Führer von Kraftfahrzeugen, folglich auch solche von motorisierten Krankenfahrstühlen, bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig. Der BGH hatte seine frühere Rspr. zu einem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,3 Promille unter Berücksichtigung neuerer medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der Bewertung statistischer Ergebnisse aufgegeben und den Grenzwert bei 1,0 Promille mit einem Sicherheitszuschlag von 0,1 Promille auf insgesamt 1,1 Promille angesetzt. Zwar hatte er damals über die Trunkenheitsfahrt eines Pkw-Fahrers zu befinden, jedoch stellte der BGH (a.a.O. Zitat juris Rn 23 unter Hinweis auf BGHSt 22, 352 [Kraftradfahrer], BGHSt 30, 352, 357 [Fahrrad mit Hilfsmotor sog. Mofa 25], BGHR StGB § 316 Fahruntüchtigkeit, alkoholbedingte 2 [Führer eines abgeschleppten betriebsunfähigen Pkw]) klar, dass dieser Grenzwert generell für Führer von Kraftfahrzeugen gilt.

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