VVG § 81 Abs. 2

1. Grob fahrlässig handelt, wer die begrenzte Höhe einer Autobahnunterführung missachtet und so einen Kraftfahrzeugschaden verursacht.

2. In einem solchen Fall ist eine Kürzung der Entschädigung um ein Drittel angemessen.

LG Göttingen, Urt. v. 18.11.2009 – 5 O 118/09

Der Beklagte mietete am 7.8.2009 für einen Tag einen Lkw vom Typ M. Vereinbart war eine Haftungsbefreiung, der gewählte Einwegmietentarif beinhaltete einen sog. "Vollkaskoschutz". Nach Übernahme des Fahrzeugs verursachte der Beklagte mit diesem einen Fahrzeugschaden. Bei Befahren der Straße A S in O übersah der Beklagte bei Durchqueren einer Autobahnunterführung die dort vorhandene maximale Höhe von 2,70 m. Auf diese war durch mehrere Verkehrsschilder hingewiesen worden.

Aus den Gründen:

“… Die Klage ist nur z.T. begründet. Die Klägerin kann auf Grund des abgeschlossenen Mietvertrages von dem Beklagten teilweise Schadensersatz verlangen. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Die Parteien haben unter Ziffer 10.b) der allgemeinen Vermietbedingungen grundsätzlich wirksam eine Haftungsbefreiung vereinbart. Wörtlich lautet diese: ‘Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes vereinbart, stellt G den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung mit nachfolgender Selbstbeteiligung für Schäden am Fahrzeug frei.’ Die Bestimmung ist dahin auszulegen, dass grundsätzlich eine Haftungsbefreiung vereinbart worden ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte den Vollkaskoschutztarif gewählt hatte. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Haftungsbefreiung bestehen nicht.

2. Zwar haben die Parteien in § 10c Abs. 2 der allgemeinen Vermietbedingungen vereinbart, dass der Mieter bei grobfahrlässiger Verursachung des Schadens voll haftet. Mit dieser Klausel hat die Klägerin im Wege der allgemeinen Geschäftsbedingungen die grundsätzlich vereinbarte Haftungsbefreiung eingeschränkt.

Diese Klausel ist jedoch nicht wirksam. Der BGH hat entschieden, dass eine gewerbliche Vermieterin von Kraftfahrzeugen, die die Klägerin unstreitig ist, die dem Mieter gegen Zahlung eines Entgelts nach Art einer Versicherungsprämie bei Unfallschäden Haftungsfreistellung (ohne Selbstbeteiligung) verspricht, gehalten ist, diese Haftungsbefreiung nach dem Leitbild einer Kaskoversicherung auszugestalten (BGH NJW 1981, 1211 f. m.w.N.). Eine Bestimmung, die gegen das Leitbild der Vollkaskoversicherung verstößt, ist unwirksam. Denn gem. § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gewohnten nach Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Davon ist hier auszugehen. Denn nach dem ab 1.1.2008 geltenden § 81 Abs. 2 VVG gilt, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, der Versicherer berechtigt ist, seine Leistungen in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Der Gesetzgeber wollte damit Abschied nehmen von dem sog. Alles- oder Nichtsprinzip. § 81 Abs. 2 VVG kann daher zu den Grundsätzen der Vollkaskoversicherung gerechnet werden. Demgemäß kommt es auch nicht darauf an, ob er grundsätzlich abdingbar ist. Durch die in dem streitgegenständlichen Vertrag gewählte Haftungsbefreiungsklausel ist dieser Quotierungsvorgabe nicht Rechnung getragen worden. …

4. Die Kammer sieht hier einen Fall grober Fahrlässigkeit als gegeben an … Die Rspr. zur Einordnung der Fälle vorliegender Art als grob fahrlässig ist uneinheitlich (vgl. zum Ganzen Kärger, DAR 2007, 169 f.). Aus Sicht der Kammer kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an.

Im vorliegenden Fall war nach den vorgelegten Fotos davon auszugehen, dass auf die Durchfahrtshöhe von 2,70 m vorab mehrfach durch entsprechende Verkehrsschilder hingewiesen worden ist (Verbotsschild Nr. 265 gem. § 41 StVO). Ferner war an der Kante der Unterführung eine rotweiß gestreifte, deutlich wahrnehmbare Markierung angebracht. Die niedrige Durchfahrtshöhe war auf Grund dieser Verkehrsschilder bzw. Markierungen, aber auch auf Grund der äußeren Umstände, insbesondere aber auch der klaren Wahrnehmung bei Zufahrt auf die Brücke unübersehbar, wobei die Straße in relativ geraden Verlauf weithin einsehbar auf die Unterführung zulief.

Aus den vorgelegten Fotos, die den streitgegenständlichen Lkw zeigen, lässt sich erkennen, dass die Höhe des Lkws geradezu augenfällig war durch das optische Erscheinungsbild. Dem Beklagten musste die erhebliche Höhe des Fahrzeugs auch deshalb auffallen, weil er etwa im Unterschied zu einem normalen Pkw das Führerhaus über Stufen erklimmen musste und die Sitzposition des Fahrers im Vergleich zu einem normalen Pkw entsprechend erhöht war. Aus dieser augenfälligen, jedem unmittelbar auffallenden Gegebenheiten sowohl bzgl. des Fahrzeugs als auch bzgl. der Unterführung musste es sich dem Beklagten als Fahrzeugführer förmlich aufdrängen, dass ein ungefährdetes Passieren nicht möglich war. …

5. In A...

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