“ … 1. a) Die zur Leistungspflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Kläger führende Verantwortlichkeit i.S.d. § 149 VVG ergibt sich daraus, dass Ersterer wegen eines bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen, einen Vermögensschaden verursachenden Pflichtverstoßes eine Leistung an den Kläger zu bewirken hat und wegen eines Teilbetrags von 24.821,06 EUR kein Risikoausschluss eingreift.

(1) Eine die Eintrittspflicht der beklagten Haftpflichtversicherung begründende Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers liegt darin, dass er in dem für den Kläger geführten Vorprozess lediglich 195.061,51 DM eingeklagt hat, obwohl ihm richtigerweise 243.607,28 DM zugestanden hätten, sodass mangels verjährungsunterbrechender Maßnahmen dieser im Jahr 1998 fällig gewordene Anspruch … verjährt war. Die Pflichtverletzung steht fest auf Grund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils des LG S vom 23.6.2003.

Nach dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip ist zwischen dem Haftpflichtverhältnis und dem Deckungsverhältnis und damit prozessual zwischen dem Haftpflichtprozess und dem Deckungsprozess zu unterscheiden. Im Haftpflichtprozess ist zu klären, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber ersatzpflichtig ist. Die Eintrittspflicht des Versicherers für die dort festgestellten Ansprüche ist Gegenstand des Deckungsprozesses (vgl. zum Trennungsprinzip zuletzt BGH, Urt. v. 24.1.2007, VersR 2007, 641). Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Sie verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zu Grunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können. Die Bindungswirkung reicht aber nur so weit, wie sich eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage auch im Haftpflichtprozess bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist (sog. Voraussetzungsidentität). Das ist insbesondere bei der Frage nach dem Haftungsgrund stets der Fall, weil sich aus dem Leistungsversprechen im Haftpflichtversicherungsvertrag ergibt, dass diese für den nachfolgenden Deckungsprozess verbindlich geklärt werden soll (BGH, VersR 2006, 106).

Der Versicherungsnehmer der Beklagten wurde im Haftpflichtprozess durch das Urteil des LG verurteilt, an den Kläger – u.a. – einen Betrag in Höhe von 48.545,77 DM zu zahlen, weil er es versäumt habe, Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung zu ergreifen und den Kläger bei Beendigung des Mandats auch nicht auf die Gefahr der Verjährung des Restanspruchs hingewiesen habe. Die damit gegebene Begründung der Pflichtverletzung ist dem Haftungsgrund zuzurechnen. Auf Grund des Haftpflichturteils ist sie demzufolge wegen zu bejahender Voraussetzungsidentität verbindlich geklärt.

(2) Das LG hat … den Anspruch allerdings insgesamt, also auch in Höhe der – nicht gesondert erörterten – 48.545,77 DM, wegen der Risikoausschlussklausel des § 4 Nr. 5 AVB abgelehnt. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn eine wissentliche Pflichtverletzung im Sinne dieser Klausel ist in Bezug auf das Unterlassen verjährungsunterbrechender Maßnahmen mit Blick auf den im Haftpflichtprozess zugesprochenen Teilbetrag von 48.545,77 DM nicht nachgewiesen. …

Die Risikoausschlussklausel des § 4 Nr. 5 AVB verlangt, dass der Versicherungsnehmer ein für ihn verbindlich begründetes Verhaltensgebot positiv gekannt und es bewusst verletzt hat. Hielt er die in Rede stehende Verpflichtung bloß für möglich, scheidet ein wissentlicher Pflichtverstoß aus. Der Leistungsausschluss hängt allerdings nicht davon ab, dass der Versicherungsnehmer auch bezüglich des schädigenden Erfolgs vorsätzlich gehandelt hat. Wissentlichkeit wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Versicherungsnehmer möglicherweise hoffte oder sogar überzeugt war, durch sein Handeln werde kein Schaden eintreten (BGH VersR 1991, 176).

Die Beklagte hat … vorgetragen, der Versicherungsnehmer habe die Frage der Verjährung nicht einmal geprüft, geschweige denn fristenmäßig notiert. Damit habe er gegen fundamentale Grundregeln der beruflichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts verstoßen, woraus sich auf wissentliches Handeln schließen lasse. Der Versicherungsnehmer selbst hat in seiner Vernehmung vor dem Senat vom 26.9.2007 auf die Frage, ob er die Verjährung des Anspruchs geprüft habe, lediglich erklärt, das wisse er heute nicht mehr. Konkrete Anhaltspunkte, die auf ein bewusstes Untätigbleiben schließen lassen, lassen sich dem nicht entnehmen. Was letztlich der Grund für das Verhalten des Versicherungsnehmers und damit für den Ablauf der Verjährungsfrist war, kann nicht (mehr) festgestellt werden.

Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass eine Überprüfung der Verjährungsfrist gar nicht vorgenommen wurde, genügt das nicht zur Annahme einer wissentlichen Pflichtverletzung (in diesem Sinne auch OLG Köln zfs 2000, 548). Im Zusammenhang mit der bewus...

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