II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Kläger wegen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens vom 1.9.2018 keine Schmerzensgeld- oder Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zustehen.

1. Ansprüche des Klägers aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagten im Zusammenhang mit dem unfallverursachenden Baum keine Amtspflichtverletzung zur Last fällt.

Denn die Verkehrssicherungspflicht für Bäume ist in Nordrhein-Westfalen allein insoweit als hoheitliche Aufgabe ausgestaltet, als es sich bei ihnen um Straßenbäume handelt. Die in § 9 StrWG NRW für die öffentlichen Straßen geregelte Verkehrssicherungspflicht obliegt den zuständigen Straßenbaulastträgern nach § 9a Abs. 1 StrWG NRW als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit. Sie umfasst die gesamte Straße bis zu der Stelle, die dem Verkehrsteilnehmer als Grenze äußerlich erkennbar ist. Sie erstreckt sich damit auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume (BGH, Urt. v. 19.1.1989 – III ZR 258/87 – Rn 19 juris).

a) Vorliegend traf die Beklagte schon deshalb keine öffentlich-rechtliche Verkehrssicherungspflicht für den unfallverursachenden Baum, weil dieser nicht an einer öffentlichen Straße steht.

Das Straßen- und Wegegesetz NRW gilt nur für öffentliche Straßen (§ 1 StrWG NRW). Hierunter fallen nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 StrWG NRW nur diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind.

Dabei erfolgt gemäß § 6 Abs. 1 und 2 StrWG NRW die Widmung durch eine seitens der Straßenbaubehörde mit Rechtsmittelbelehrung öffentlich bekanntzumachende Allgemeinverfügung.

Eine dahingehende förmliche Widmung zur öffentlichen Straße lässt sich für den zwischen der G Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01, "E" gelegenen Abschnitt des Rad-/Wanderweges, auf dem sich der streitgegenständliche Unfall ereignet hat, nicht feststellen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt mit Schriftsatz vom 25.4.2023 selbst vorgetragen, nicht behaupten zu können, dass der in Rede stehende Fuß- und Radweg durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt gewidmet worden ist.

Aber auch eine konkludente Widmung des vorgenannten Abschnitts des Rad-/Wanderweges, der über Privatgrundstücke verläuft, kann nicht festgestellt werden. Zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 02 "Wanderweg an der A" durch die Beklagte galt noch das am 1.1.1962 in Kraft getretene Landesstraßengesetz vom 28.11.1961 (LStrG). Schon dieses sah vor, dass öffentliche Straßen nur die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze sind (§ 2 Abs. 1 LStrG), und forderte für die Widmung eine mit Rechtsmittelbelehrung versehene, öffentlich bekanntzumachende förmliche Widmungsverfügung des Straßenbaulastträgers, in der unter anderem die Straßengruppe, zu der die Straße gehört (§ 6 Abs. 1 und 3 LStrG) angegeben wird. Schon das Landesstraßengesetz von 28.11.1961 schloss damit – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 6 Abs. 5 S. 1 LStrG – eine konkludente Widmung von Straßen, Wegen und Plätzen zu öffentlichen Straßen grundsätzlich aus (vgl. dazu OVG NRW, Beschl. v. 18.9.2018 – 11 A 2467/16 Rn 9 ff.).

Dass der zwischen der G Straße und der Westgrenze des Bebauungsplanes Nr. 01 "E" gelegene Abschnitts des Rad-Wanderweges schon nach dem vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes geltenden preußischen Wegerecht zur öffentlichen Straße gewidmet worden oder nach den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung öffentliche Straße gewesen ist, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts setzte das Entstehen eines öffentlichen Weges das rechtswirksame Zustandekommen der Widmung durch übereinstimmende Erklärungen des Eigentümers der Wegefläche, des Wegeunterhaltungspflichtigen und der Wegeaufsichts-/polizeibehörde voraus, dass der Weg fortan dem allgemeinen Verkehr dienen solle. Dass dahingehende übereinstimmende Erklärungen von den drei vorbezeichneten Rechtsbeteiligten betreffend den über das Grundstück des Eigentümers H entlang der A verlaufenden Weg vor dem 1.1.1962 ausdrücklich abgegeben worden sind, hat der Kläger nicht dargetan. Aber auch eine damals noch mögliche stillschweigende Widmung des Weges zur öffentlichen Straße durch die drei vorgenannten Rechtsbeteiligten kann nicht festgestellt werden. Denn auch diese würde tatsächliche Vorgänge voraussetzen, welche den zu ihrer Zeit vorhandenen Widmungswillen der drei vorgenannten Rechtsbeteiligten erkennen lassen (OVG NRW, Beschl. v. 18.9.2018 – 11 A 2467/16 – Rn 23 juris). Auch hierfür fehlt es an jedweden Darlegungen des Klägers. Dass der Weg nach dem Vortrag der Beklagten vor dem Ratsbeschluss vom 21.2.1975 als Wanderweg genutzt wurde, reicht für die Annahme einer kon...

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