FeV § 11 Abs. 6, Abs. 8 S. 1 § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c; VwGO § 80 Abs. 7

Leitsatz

1. Gemäß § 80 Abs. 7 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Änderungsverfahren ist damit kein Rechtsmittelverfahren zur Kontrolle der Richtigkeit der vorangegangenen Entscheidung, sondern ein eigenständiges Verfahren, in dem geprüft wird, ob die Entscheidung aufrechterhalten werden kann oder eine Änderung aufgrund neuer Umstände nunmehr geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.3.2019 – 6 VR 1.19, juris Rn 5).

2. Keine Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO, die dem Änderungsantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zum Erfolg verhelfen würden, liegen vor, wenn das VG im Anschluss an einen zuvor rechtskräftig ablehnenden Eilbeschluss zwar der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis stattgegeben hat, eine vom zuvor ablehnenden Eilbeschluss des VG abweichende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aber nicht gerechtfertigt ist, weil die Berufung des erstinstanzlich Unterlegenen gegen das Urt. nach summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird.

3. Die Beibringungsanordnung nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV setzt keine Fahrt mit einem Kfz voraus. Vielmehr genügt die Fahrt mit jedem Fahrzeug, mithin auch mit einem Fahrrad (stRspr.).

4. Der Begriff des "Führens" eines Fahrzeugs i.S.v. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV deckt sich mit dem des § 316 StGB und § 24a StVG. Wer auf einem rollenden Fahrrad sitzt, führt es. Die Länge der gefahrenen Strecke ist unerheblich. Das Schieben eines Fahrrads erfüllt hingegen nicht den Begriff des "Führens".

5. Die Anordnung der Begutachtung den Anforderungen muss § 11 Abs. 6 FeV entsprechen und muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dem Betroffenen die zu untersuchende Fragestellung in der Beibringungsanordnung so mitteilen, dass er zweifelsfrei erkennen kann, welche Problematik in welcher Weise geklärt werden soll. Besteht die Fragestellung aus mehreren Teilen, infiziert die Fehlerhaftigkeit eines Teils regelmäßig auch den anderen Teil. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Betroffene sich klar unterscheidbaren getrennten Fragestellungen gegenübersieht. In einer solchen Konstellation kann von diesem eine differenzierte Entschließung erwartet werden, ob und ggf. welchen Untersuchungen bzw. Fragestellungen er sich stellen oder im Verweigerungsfall die Sanktion des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV riskieren will. (Leitsätze der Schriftleitung)

BayVGH, Beschl. v. 22.1.2024 – 11 AS 23.2111

1 Sachverhalt

Der Antragssteller wendet sich gegen Sofortvollzug der Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch den Antragsgegner.

Der am … 1956 geborene Antragsteller war Inhaber der Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, M und L. Einem Bericht der Polizeiinspektion Gunzenhausen zufolge fuhr er am 18.6.2019 kurz nach 22 Uhr mit seinem Fahrrad zu einer Tankstelle, um dort einzukaufen. Da er gegen die Tür der bereits nicht mehr geöffneten Tankstelle schlug, verständigte die noch anwesende Mitarbeiterin die Polizei. Die mit Einverständnis des Antragstellers um 22:31 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,35 ‰. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde nach Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt und die von der Tankstelle überlassene Videoaufzeichnung über den Vorfall nach Auskunft der Staatsanwaltschaft anschließend gelöscht.

Mit Schreiben vom 24.10.2019 forderte das Landratsamt W.-G. den Antragsteller auf, bis spätestens 3.1.2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen zu den Fragen, (1.) ob körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vorliegen, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können, (2.) ob insbesondere nicht zu erwarten ist, dass das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, und (3.) ob auch nicht zu erwarten ist, dass das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Der Antragsteller gab hierzu eine am 8.12.2019 unterzeichnete Einverständniserklärung ab und teilte dem Landratsamt mit, die Begutachtung solle durch die TÜV-Süd … durchgeführt werden. Mit Schreiben vom 11.12.2019 verlängerte das Landratsamt die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis 3.2.2020.

Nach Anhörung, in deren Rahmen der Antragsteller behauptet hat, das Fahrrad nur geschoben zu haben, entzog ihm das Landratsamt mit Bescheid v. 16.3.2020 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis, verpflichtete ihn, den Führerschein unverzüglich abzugeben und untersagte ihm das Führen fahrerlaubni...

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