Der Antragssteller wendet sich gegen Sofortvollzug der Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch den Antragsgegner.

Der am … 1956 geborene Antragsteller war Inhaber der Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, M und L. Einem Bericht der Polizeiinspektion Gunzenhausen zufolge fuhr er am 18.6.2019 kurz nach 22 Uhr mit seinem Fahrrad zu einer Tankstelle, um dort einzukaufen. Da er gegen die Tür der bereits nicht mehr geöffneten Tankstelle schlug, verständigte die noch anwesende Mitarbeiterin die Polizei. Die mit Einverständnis des Antragstellers um 22:31 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,35 ‰. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde nach Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt und die von der Tankstelle überlassene Videoaufzeichnung über den Vorfall nach Auskunft der Staatsanwaltschaft anschließend gelöscht.

Mit Schreiben vom 24.10.2019 forderte das Landratsamt W.-G. den Antragsteller auf, bis spätestens 3.1.2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen zu den Fragen, (1.) ob körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vorliegen, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können, (2.) ob insbesondere nicht zu erwarten ist, dass das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, und (3.) ob auch nicht zu erwarten ist, dass das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Der Antragsteller gab hierzu eine am 8.12.2019 unterzeichnete Einverständniserklärung ab und teilte dem Landratsamt mit, die Begutachtung solle durch die TÜV-Süd … durchgeführt werden. Mit Schreiben vom 11.12.2019 verlängerte das Landratsamt die Frist zur Vorlage des Gutachtens bis 3.2.2020.

Nach Anhörung, in deren Rahmen der Antragsteller behauptet hat, das Fahrrad nur geschoben zu haben, entzog ihm das Landratsamt mit Bescheid v. 16.3.2020 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis, verpflichtete ihn, den Führerschein unverzüglich abzugeben und untersagte ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Er habe das Gutachten nicht vorgelegt. Daraus sei auf seine Nichteignung zu schließen …

Mit persönlich verfasstem Schreiben sowie mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.4.2020 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid ein und bat um erneute Begutachtung, legte jedoch innerhalb der hierzu mehrfach verlängerten Frist kein Gutachten vor. Mit Widerspruchsbescheid v. 9.8.2021 wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück.

Mit Schreiben vom 30.8.2021 ließ der Antragsteller beim VG Ansbach Klage erheben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen. Diesen Antrag hat das VG mit rechtskräftigem Beschl. v. 31.1.2022 abgelehnt.

Mit Urt. v. 11.7.2023 hat das VG den Bescheid v. 16.3.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids v. 9.8.2021 in vollem Umfang aufgehoben. Für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge bestehe nach neuer Rechtsprechung des BayVGH, der sich die Kammer anschließe, keine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei ebenfalls rechtswidrig. Die Kammer sei zwar nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Antragsteller das Fahrrad nicht geschoben habe, sondern dass er damit gefahren sei. Allerdings sei die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens wegen überschießender Fragestellung (auch) nach der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge unverhältnismäßig und damit insgesamt rechtswidrig. Aus der Nichtvorlage des Gutachtens habe das Landratsamt daher nicht auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Daher seien die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins aufzuheben.

Gegen dieses Urt. hat der Freistaat Bayern die vom VG zugelassene und noch anhängige Berufung eingelegt, soweit das VG die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben hat.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten v. 26.10.2023 ließ der Antragsteller beim VG unter Hinweis auf das Urt. v. 11.7.2023 die Änderung des Beschlusses v. 31.1.2022 und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 7 VwGO beantragen. Mit Beschl. v. 20.11.2023 erklärte sich das VG für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an den BayVGH als Gericht der Hauptsache. Mit Schreiben vom 8.12.2023 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers klar, der Antrag beschränke sich auf die Entziehung der Fahrerlaubnis.

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