[1] "Die gem. § 104 Abs. 3 i.V.m. §§ 567, 569 ZPO zulässige und insb. fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde der Bekl. ist begründet. (…)"

[2] 1. Zu Recht wendet sich die Bekl. dagegen, dass in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss entgegen ihrem Kostenfestsetzungsantrag v. 9.1.2020 die Kosten für die Verfahrensgebühr für ihren Rechtsanwalt und den mitwirkenden Patentanwalt aus dem Streitwert von 1 Mio. EUR jeweils nur in Höhe einer 0,8 Gebühr gem. Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG, statt einer 1,3 Gebühr gem. Nr. 3100 VV RVG zur Erstattung festgesetzt worden sind.

[3] a) Gem. 3100 VV RVG fällt im ersten Rechtszug in Zivilsachen für einen Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Prozessbevollmächtigter in einem gerichtlichen Verfahren erteilt worden ist, für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbem. 3 (1) und (2) VV RVG) eine 1,3 Verfahrensgebühr an. Nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG fällt davon abweichend (nur) eine 0,8 Verfahrensgebühr an, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht oder bevor er einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Die Regelung in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG beschränkt die Verfahrensgebühr auf eine 0,8 Gebühr in den Fällen, in denen die volle Gebühr als zu hoch angesehen wird, weil die Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Endigung des Auftrags noch nicht nach außen in Erscheinung getreten ist oder aber der Rechtsanwalt noch nicht bestimmte, als besonders aufwendig angesehene Tätigkeiten mit Außenwirkung vorgenommen hat (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., VV 3101 Rn 4). Dabei sind die Regelungen der Nrn. 3100 und 3101 VV RVG auch auf den am Verfahren mitwirkenden Patentanwalt anzuwenden (Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, 50. Aufl., RVG, VV 3101 Rn 25 “Patentanwalt').

[4] b) Im Streitfall hat die Kl. ihre Klage wegen Patentverletzung mit Schriftsatz v. 25.11.2019 zurückgenommen. Damit hat sich die Angelegenheit für die Bekl. erledigt und der Auftrag an ihre Rechts- und Patentanwälte, der Klage entgegenzutreten, war hierdurch beendet (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., VV 3101 Rn 10).

[5] Der Auftrag hat aber nicht geendigt, bevor der Rechtsanwalt der Bekl. einen Schriftsatz, der einen Sachantrag enthält, eingereicht hat. Denn der Beklagtenvertreter hatte schon vor der Rücknahme der Klage mit Schriftsatz v. 18.10.2019 beantragt, die Klage abzuweisen. Anders als der ebenfalls gestellte Antrag auf Fristverlängerung zur Klageerwiderung und die Anzeige der Verteidigung gegen die Klage stellt dies einen Sachantrag i.S.d. Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG dar. Der Sachantrag stellt auch eine nach Außen in Erscheinung tretende Tätigkeit des Beklagtenvertreters dar. Die Ausnahmeregelung der Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG, die eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 vorsieht, findet daher keine Anwendung. Es verbleibt bei der Regelung nach Nummer 3100 VV RVG, nach der die Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 anfällt.

[6] c) Der Bewertung des Klagabweisungsantrages im Schriftsatz v. 18.10.2019 als Sachantrag steht nicht entgegen, dass der Antrag dahin formuliert ist, dass angekündigt wird, in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, die Klage abzuweisen.

[7] Denn diese Formulierung nimmt lediglich auf § 137 Abs. 1 ZPO Bezug. Nach § 137 Abs. 1 ZPO wird die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Nach § 297 Abs. 1 S. 1 ZPO sind diese (Sach-)Anträge aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Ausdrücklich normiert daher § 130 Nr. 2 ZPO, dass die vorbereitenden Schriftsätze die Anträge enthalten sollen, “welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt.'

[8] Ein für die Entstehung der vollen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG notwendiger Sachantrag i.S.v. Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG liegt daher auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Bekl. ankündigt, in der mündlichen Verhandlung zu beantragen, die Klage abzuweisen (so zu Recht: Müller-Rabe, a.a.O., VV 3101 Rn 28a; ebenso im Berufungsrechtszug: OLG Celle Beschl. v. 15.11.2017 – 2 W 290/17 zu 3200 und 3201 VV RVG: Ankündigung des Sachantrages, die Berufung zurückzuweisen, AGS 2018,9 = RVGreport 2018, 54 (Hansens)). Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn ein Bekl. mit der Ankündigung des Klagabweisungsantrages zugleich erklärt, der Klageanspruch müsse erst noch auf seine Berechtigung hin überprüft werden. Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Entsprechend wird auch angenommen, dass dann, wenn mit der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft zugleich ein uneingeschränkter Klageabweisungsantrag angekündigt wird, ein nachfolgend erklärtes Anerkenntnis kein sofortiges i.S.d. § 93 ZPO mehr ist (Zöller/Herget, ZPO, 33, Aufl., § 93 Rn 4). Denn ein sofortiges Anerkenntnis eines Bekl. kann regelmäßig allenfalls dann angenommen werden, wenn sich dieser zum Klageanspruch noch nicht geäußert hat...

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