Gesetzestechnisch handelt es sich bei dem Arzneimittelprivileg des § 24a Abs. 2 S. 3 StVG um einen Tatbestandsausschluss und keinen bloßen Rechtfertigungsgrund.[17]

Damit kann ein zur Blutprobe berechtigender Anfangsverdacht in den Fällen behaupteter Betäubungsmittelmedikamentierung aber nicht ausschließlich auf Verdachtsmomente gestützt werden, die sich bloß auf die Betäubungsmittelbeeinflussung beziehen, weil dieser Umstand für sich allein betrachtet gerade noch nicht tatbestandsmäßig ist.[18] Demzufolge muss sich die Verdachtslage in diesen Fällen auch auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte stützen, die auf eine "nicht bestimmungsgemäße Einnahme" i.S.d. Medikamentenprivilegs hindeuten. Dazu bedarf es der Feststellung, ob

das Medikament durch einen Arzt verordnet und
die Dosieranweisung eingehalten wurde.[19]

Sollten die Voraussetzungen des § 24a Abs. 2 S. 3 StVG vorliegen, lässt sich die Einnahme von Medikamenten vom Konsum illegaler Drogen – bei gleichem Wirkstoff im Blut – mit sachverständiger Hilfe unterscheiden.[20]

Wenn aber eine ärztliche Bescheinigung, ein Rezept bzw. eine Rezeptkopie vorgezeigt wird, aus der sich die Art des Medikaments eindeutig ergibt und keine tatsächlichen Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass der Betroffene die ärztlichen Einnahmevorgaben missachtet hat, ist von bestimmungsgemäßer Medikamenten-Einnahme auszugehen. Mangels Anfangsverdachtes einer pönalisierten Drogenfahrt ist bei dieser Fallkonstellation keine Blutentnahme zulässig.[21]

Soweit etwa ein Tatrichter meint, sich mit dem Vorbringen eines Betroffenen, wonach es sich bei dem von ihm eingenommenen Cannabis um "medizinisch verordnetes" gehandelt habe, nicht weiter befassen zu müssen, weil es nicht von Bedeutung sei, ob der Betroffene "auf dem Schwarzmarkt" besorgtes oder "medizinisch verordnetes Marihuana" konsumiert habe, da er in keinem Fall ein Kfz habe führen dürfen, wenn in seinem Blut eine Wirkstoffkonzentration von THC "über dem gesetzlich zulässigen Grenzwert" erreicht sei, offenbart dies ein rechtsfehlerhaftes Verständnis der Medikamentenklausel nach § 24 a Abs. 2 S. 3 StVG.[22] Die bußgeldrechtliche Ahndung einer Drogenfahrt scheidet aus, wenn die im Blut des Betroffenen nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, d.h. der Einfluss der Substanz allein auf der Einnahme der sich aus der ärztlichen Verordnung vorgegebenen Dosierung und auch nicht auf einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung beruht. Bringt der Betroffene vor, die nachgewiesene berauschende Substanz beruhe auf der bestimmungsgemäßen Einnahme als Arzneimittel gemäß einer für ihn ausgestellten ärztlichen Verordnung, hat sich das Tatgericht hiermit näher zu befassen, sofern es nicht von einer reinen Schutzbehauptung ausgeht.[23]

[17] Laub SVR 2017, 378.
[18] So (und zum nachfolgenden) Laub SVR 2017, 378; Funke in: König, MüKo-Straßenverkehrsrecht, 2016, § 24a StVG Rn 53: "Nach Abs. 2 S. 2 ist der Tatbestand des Führens eines Kfz unter der Wirkung berauschender Mittel nicht erfüllt, wenn die im Blut nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall vorgeschriebenen Arzneimittels herrührt."
[19] Laub SVR 2017, 378.
[20] KG, Beschl. v. 30.7.2015 – 3 Ws (B) 368/15 – 162 Ss 64/15. Das heißt i.d.R. durch ein ärztliches Gutachten.
[21] Laub SVR 2017, 378.

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