Auch wenn Parkverstöße zum klassischen Verkehrsrecht gehören, so beschäftigt sich der Verkehrsanwalt nicht wirklich gerne damit, weil der Kampf gegen die Knöllchen meist aussichtslos ist und auch gebührenrechtlich nicht besonders lukrativ. Doch dann erlässt das OLG Frankfurt am Main am 3.1.2020 (Az. 2 Ss-OWi 963/18) einen Beschluss, der sich mit der Frage der Zulässigkeit von "privaten Dienstleistern" bei der Überwachung des ruhenden Verkehrs beschäftigt. Und wie zuvor schon beim fließenden Verkehr (Grundsatzentscheidungen OLG Frankfurt/M. v. 26.4.2017 – 2 Ss-Owi 295/17 und v. 6.11.2019 – 2 Ss-OWi 942/19 [zfs 2020, 47]) verneint der Bußgeldsenat des OLG Frankfurt am Main auch beim ruhenden Verkehr die Zulässigkeit des Einsatzes privater Dienstleister und lässt deren Feststellungen zum Parkverstoß einem absoluten Beweisverbot unterfallen. So weit, so gut – und der Verkehrsrechtler nimmt die Entscheidung wohlwollend zur Kenntnis.

Wer aber die Entscheidung vollständig liest, stößt auf folgende Urteilsgründe:

"Die Stadt F … kann daher nach § 99 Abs. 3 HSOG für die eigene “Stadtpolizei' “eigene Bedienstete' bestellen. Das hat sie indes nicht getan."

Stattdessen verwendet sie ihre hoheitliche Sanktionsmacht Verwarngelder zu erheben dazu, das Geschäftsmodell eines privaten Dienstleisters zu finanzieren. Damit dies nicht auffällt, lässt sie die Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen (vgl. §§ 132, 132a StGB).

Damit täuscht die Stadt F … strukturell und systemisch den Bürger und die Gerichte, und zwar im vollen Bewusstsein, dass sie geltendes Recht umgeht.“

Diese zwei letzten Sätze sind der "Hammer"! Da wirft – zu Recht – ein OLG-Senat der Exekutiven vor, Gerichte und Bürger vorsätzlich mit strafbewehrtem Verhalten (Leiharbeiter in Polizeiuniformen stecken!) getäuscht zu haben, um ein privates Geschäftsmodell zu finanzieren. Solche Formulierungen könnte man auch über eine sog. Bananenrepublik lesen. Nach dieser Klatsche müssten eigentlich Bürgermeister und Ordnungsdezernenten sowie die Leiter der kommunalen Verkehrsüberwachung betroffener Städte und Gemeinden schamgebeugt reihenweise sofort zurücktreten. Doch nichts dergleichen. Vielmehr wird dort gejammert, dass einem nunmehr nicht nur die Einnahmen fehlen, sondern man jetzt auch noch "richtige" Verkehrspolizisten für viel Geld einstellen müsse. Hier tritt offenkundig ein grundsätzliches Problem der Exekutiven und der hinter ihr stehenden Politik mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG ("Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.") zu Tage. Doch die kleine Politik lernt hier von der großen Politik. Diese macht mit bewussten Verstößen etwa gegen die Stabilitätskriterien aus dem Maastricht-Vertrag oder der Dublin-Verordnung und beim Maut-Debakel oder auch der vetternwirtschaftlichen Vergabe von Beraterverträgen im Verteidigungsministerium vor, dass politisch motiviertes und moralisch irgendwie gerechtfertigtes Handeln über dem Gesetz stehen darf. Wer aber glaubt, bewussten Gesetzesbruch mit moralisch begründeten Ausnahmen (Stichwort: gesundes Volks- [besser Klientel-]empfinden) belegen zu dürfen, höhlt die Demokratie genauso aus wie radikale politische Fliehkräfte am rechten und linken Rand. Daraus folgt, dass der Verkehrsanwalt und die Verkehrsanwältin künftig auch bei kleinen Parkverstößen genauer und kritischer hinschauen sollten. Sie tun es nicht nur für den Mandanten, sondern retten damit im Kleinen tagtäglich ein Stückchen Demokratie und Rechtsstaat. Das dürfen wir uns auch voller Stolz immer wieder bewusst machen.

Autor: Andreas Krämer

RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt/Main

zfs 3/2020, S. 121

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