"… Die Kl. verlangt mit ihrer Klage von der Bekl. aus einer Hausratversicherung weitergehende Leistungen wegen eines Schadensfalles, die Bekl. mit ihrer Widerklage die Rückzahlung darauf bereits erbrachter Versicherungsleistungen. Am 30./31.8.2014 kam es zu einem Einbruchdiebstahl in das Einfamilienhaus der Kl., für das seinerzeit eine Hausratversicherung bei der Bekl. bestand. Die Bekl. erbrachte vorgerichtlich Versicherungsleistungen für abhandengekommene Wertsachen, die in einem eingemauerten Wandtresor verwahrt waren. Für Wertsachen, die in § 19 Ziff. 1c der VHB 84 beschrieben sind und die nicht in einem gegen Wegnahme besonders gesicherten Behältnis verwahrt werden, ist in § 19 Ziff. 3c der Bedingungen eine Entschädigungshöchstgrenze von 40.000 DM je Versicherungsfall festgelegt. (…)"

Das LG hat der Klage teilweise i.H.v. 3.034,57 EUR stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat den von der Bekl. im Rechtsstreit allein erhobenen Vorwurf einer arglistigen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit und einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles (bzw. Verletzung der Schadensminderungspflicht) als nicht durchgreifend erachtet. Die Bekl. habe nicht bewiesen, dass die Kl. gegenüber ihrer Regulierungsbeauftragen falsche Angaben zum Verschlusszustand des alten Wandtresors gemacht habe. Der Vorwurf grob fahrlässiger Schadensverursachung sei unberechtigt; insb. sei das Verstecken der Safeschlüssel im Haus nicht grob fahrlässig.

2.) Zu Recht hat das LG der Kl. weitere Leistungen aus der Hausratsversicherung zugesprochen und die widerklagend geltend gemachte Forderung der Bekl. auf Rückzahlung erbrachter Leistungen als unbegründet zurückgewiesen, weil die Bekl. nicht leistungsfrei geworden ist.(…)

a.) Die Bekl. rügt, das LG habe grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verwahrung der Wertsachen im Wandtresor zu Unrecht verneint, weil es die Gefahr einer Entdeckung von im Haus versteckten Schlüsseln durch Einbrecher und damit das Risiko der Entwendung der im Tresor verwahrten Wertsachen fehlerhaft beurteilt habe. Dieser Einwand geht fehl. Das gilt selbst dann, wenn man zugunsten der Bekl. unterstellt, dass die Sicherheit, die ein Tresor bietet, entwertet ist, wenn die Schlüssel im gleichen Haus versteckt sind. Die Leistungspflicht der Bekl. besteht unabhängig davon fort.

aa.) Die Bekl. ist nicht nach § 28 Abs. 2 VVG i.V.m. § 9 Ziff. 1a VHB 84 von ihrer Leistungspflicht freigeworden. Die Bekl. sieht zwar richtigerweise in § 9 Ziff. 1a VHB 84 eine vertraglich vereinbarte Obliegenheit, die dem VN abverlangt, schon vor Eintritt des Versicherungsfalls Maßnahmen zur Schadensverhütung und -minderung zu ergreifen. Selbst wenn man die in § 21 Nr. 3 VHB 84 festgelegte Rechtsfolge für die Verletzung der in § 21 Nr. 1 und 2 VHB 84 geregelten Obliegenheiten für anwendbar hielte, kommt ein vollständiger oder teilweiser Wegfall der Leistungspflicht nicht in Betracht. Denn dort wird auf die außer Kraft getretenen Rechtsfolgen der §§ 6 Abs. 3, 62 Abs. 2 VVG a.F. verwiesen. Die Rechtsfolgen nach diesen außer Kraft getretenen Bestimmungen weichen zum Nachteil des VN von den gesetzlichen Bestimmungen ab und führen zur Unwirksamkeit nach § 32 S. 1 VVG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die durch die Unwirksamkeit entstandene Vertragslücke kann nicht durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 und 4 VVG n.F. geschlossen werden (BGH zfs 2016, 38).

bb) Auch eine Herabsetzung der Leistungspflicht oder Leistungsfreiheit der Bekl. nach § 81 VVG oder § 82 VVG kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Es fehlt bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten gesetzlichen Bestimmungen. § 81 VVG ist mangels eines kausalen Zusammenhangs zwischen den beanstandeten Verwahrmodalitäten und dem Eintritt des Versicherungsfalls nicht erfüllt. Die Täter haben sich durch gewaltsames Aufhebeln der Terrassentür Zugang in das versicherte Wohnhaus verschafft, was durch die Verwahrung von Wertsachen im Tresor bei in der Wohnung verstecktem Schlüssel nicht begünstigt worden ist. § 82 VVG, der Obliegenheiten bei Eintritt des Versicherungsfalles zum Gegenstand hat, ist nicht einschlägig, weil die Bekl. der Kl. vorwirft, vor Eintritt des Versicherungsfalls ungenügende Schutzmaßnahmen ergriffen zu haben.

Abgesehen davon ist der Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch nicht berechtigt. Denn der Vorwurf der grob fahrlässigen Schadensverursachung setzt grundsätzlich voraus, dass das fragliche Verhalten, das zum Schaden geführt hat, den nach dem Vertrag vorausgesetzten Standard an Sicherheit im Hinblick auf die versicherte Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat (vgl. dazu BGH NJW 1996, 1411; NJW-RR 1998, 166). Das kann hier gerade nicht festgestellt werden. Denn nach den Versicherungsbedingungen gilt für Wertsachen (Schmuck, Münzen o.Ä.) bis zu einer Wertgrenze von 20.452 EUR kein spezieller Sicherheitsstandard. Insoweit hat die Bekl. Versicherungsschutz unabhängig von den Verwahrverhältnissen zugesagt (vgl. § 19 VHB 8...

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