1. Der Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung ist mit Blick auf den Ausnahmecharakter des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn die Behörde nicht deutlich macht, dass sie bei der Anordnung des Sofortvollzugs den Einzelfall im Blick hatte. Eine durchgängig nur allgemein und formelhaft gehaltene Begründung reicht nicht. In diesem Bereich werden sich allerdings häufig die Gründe für den Erlass der Fahrerlaubnisentziehung mit den Gründen für ihren sofortigen Vollzug decken, weil es hier darum geht, die Gefahren, welche von ungeeigneten Kraftfahrern für die Allgemeinheit und den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, effektiv und damit möglichst umgehend zu vermeiden. Wird in diesen Fällen aus der Begründung der Verfügung bereits die besondere Dringlichkeit der Vollziehungsanordnung sowie die von der Behörde getroffene Interessenabwägung hinreichend deutlich, kann sich dementsprechend zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen die Sofortvollzugsbegründung in einer Bezugnahme auf die Begründung für den Verwaltungsakt erschöpfen. Dieser Verweis muss dann aber auch vorliegen.

2. Ob eine Straftat i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV erheblich ist, richtet sich nach ihrem Bezug zur Fahreignung des Betroffenen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wenn im Einzelfall eine Bewertung mit Punkten im VZR erfolgt ist und der Gesetzgeber gem. § 4 StVG davon ausgeht, dass der dort geregelte, abgestufte Maßnahmenkatalog aus Verwarnungen und Nachschulungen regelmäßig geeignet und ausreichend ist, den aus punktebewerteten Verkehrsverstößen oder Straftaten entstehenden Eignungsbedenken zu begegnen. Um dieses System zu verlassen und darüber hinausgehende Ausklärungsmaßnahmen im Hinblick auf die Fahreignung gem. § 4 Abs. 1 S. 2 StVG zu rechtfertigen, müssen Besonderheiten den Einzelfall vom Regelfall im Sinne einer deutlich erhöhten Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr abheben. Diese Gründe müssen sorgfältig abgewogen und in der Anordnung dargelegt werden.

3. Die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens leidet an einem Rechtsfehler, wenn die Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 bis 9 FeV ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat (im Fall: fehlende Auseinandersetzung mit dem Vorrang des Punktsystems, kein Abwägen von milderen Mitteln, kein Abwägen des im Einzelfall bestehenden Gefahrenpotenzials). Eine auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Fahrerlaubnisentziehung ist dann rechtswidrig.

(Leitsätze der Schriftleitung)

VG Neustadt an der Weinstraße, Beschl. v. 18.12.2012 – 1 L 986/12.NW

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