“ … Nach dem Ergebnis der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kl. bei dem in Frage stehenden Unfall eine HWS-Distorsion erlitten hat …

Der Kl. hat den ihm obliegenden Vollbeweis erbracht, dass die von ihm geschilderten Verletzungen und Beschwerden kausal auf den Unfall zurückzuführen sind (§ 286 ZPO). Für die tatrichterliche Überzeugung ist dabei keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine “an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit’, sondern ein für das praktische Leben erhobener Grad von Gewissheit erforderlich, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH NJW-RR 2008, 1380).

a) Die Kammer geht zunächst von den vom Sachverständigen Dipl.-Ing. … getroffenen Feststellungen aus.

Der Sachverständige stellt eine seitliche Querbeschleunigung am Klägerfahrzeug infolge der Kollision von gut 5,5 m/s² bzw. ca. 0,6 g fest. Unter Berücksichtigung einer Bremsverzögerung von 7,5 m/s² in Längsrichtung habe auf den Kl., bezogen auf seine Fahrtroute, kurzzeitig eine maximale Gesamtbeschleunigung von ca. 9 m/s² unter einem Winkel von ca. 36° zur Fahrzeuglängsachse schräg nach rechts vorne gewirkt.

Diesen Feststellungen folgt die Kammer, da der Sachverständige als Dipl.-Ing. im Bereich der Unfallanalytik tätig ist und als anerkannter Kfz-Sachverständiger für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert ist. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat die aus den vom ihm festgestellten Unfallschäden und sonstigen Anknüpfungstatsachen gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt.

b) Die Kammer folgt ferner den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. … in vollem Umfang. Als leitender Oberarzt und Facharzt für Allgemein- und Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportverletzungen verfügt der Sachverständige über eine umfassende praktische Erfahrung. Die Ausführungen des Sachverständigen beruhen auf einer umfassenden Aufarbeitung der Behandlungsunterlagen sowie des Akteninhalts. Zudem hat er den Kl. vor der Gutachtenerstellung eingehend untersucht. Er hat sämtliche für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Fragen in seinem Gutachten und im Rahmen seiner Anhörung klar und eindeutig beantwortet.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten v. 24.11.2011, seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten v. 28.6.2012 sowie seiner Stellungnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 6.11.2012 festgestellt, dass der Kl. durch den Verkehrsunfall am 24.11.2009 eine HWS-Distorsion erlitten hat.

Diese Annahme begründet der Sachverständige überzeugend anhand des Behandlungsverlaufs nach dem Verkehrsunfall. So führt er aus, dass die Untersuchungsbefunde im St.- … sehr zeitnah, etwa eine Stunde nach dem Unfall, erhoben worden seien und hierüber der Bericht eines dafür spezialisierten Arztes, einem Facharzt für Unfallchirurgie und Durchgangsarzt, vorliege. In diesem Bericht seien ebenso wie in dem Bericht an die Hausärztin des Kl. v. 24.11.2009 und dem Bericht an die Bekl. v. 14.12.2009 objektive Untersuchungsbefunde beschrieben. So handle es sich bei einem Muskelhartspann um ein objektives Untersuchungszeichen, weil er vom zu Untersuchenden nicht vorgespielt werden könnte. Es handle sich um einen objektiven Hinweis auf eine krankhafte Veränderung. Zwar sei ein Muskelhartspann generell ein unspezifisches Symptom und ein Befund, der in der Allgemeinbevölkerung durchaus auftrete und für den als Ursachen neben einem Unfall auch nächtliche Bettruhe mit Schiefstellung des Kopfes in Betracht käme. Allerdings sprächen hier die vor dem Unfall bestehende Beschwerdefreiheit des Kl. und die zeitliche Nähe des Auftretens der Beschwerden zum Unfall für eine Ursächlichkeit desselben. Der Sachverständige hat im Rahmen seiner Anhörung erklärt, dass er keine Zweifel daran habe, dass der Unfall für den Muskelhartspann tatsächlich ursächlich geworden sei.

Zudem zeigten die im St.- … gefertigten Röntgenbilder nach den Ausführungen des Sachverständigen eine deutliche Steilstellung der HWS, welche als Zeichen für eine verspannte Halsmuskulatur paravertebral gelte und Indiz für eine muskuläre Verspannung im HWS-Bereich sei. Denn die Steilstellung der HWS entstehe durch die verspannte Haltemuskulatur, die die Wirbelsäule strecke und so das Bild der sog. Steilstellung erzeuge. Auch insoweit handle es sich zwar nicht um ein Schadensbild, das nur durch einen Unfall entstehen könne. Es sei vorliegend aber von der Unfallursächlichkeit auszugehen. Denn Ursache der steilgestellten HWS sei ein Muskelhartspann im HWS-Bereich, der als krankhaft zu werten sei und regelmäßig zu Arztbesuchen führe. Vor dem Unfall sei der Kl. jedoch beschwerdefrei und wegen Beschwerden im Nackenbereich nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. Den Einwand der Bekl., dass die auf dem Röntgenbild erkennbare Steilstellung haltungsbedingt sei, weil die Patienten von der Röntgenassistentin aufgefordert würden, den Hals “lang’ zu machen, hat der Sachverständige entkräfte...

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